Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wohnen: Dreht die Stadt an den richtigen Schrauben? Debatte
Wohnungen für finanziell schwache Mieter gibt es immer weniger. Doch die Stadt sperrt sich gegen eine verbindliche Quote in Neubaugebieten. Das bringt ihr Kritik ein
VON STEFAN KROG gar nicht schlecht. Die Ansätze wie Bestandsverdichtung und Leerstandsmanagement werden nicht die Masse an Wohnungen bringen, aber in der Summe schon etwas bewirken. Jede neue Wohnung sorgt für Entspannung. Und es sind Ansätze, die Flächenverbrauch und Zersiedelung vermeiden.
Gleichwohl ist der Brocken, der am meisten Entlastung bringt, der Neubau von Wohnungen. Die Zahl der Wohnungen stieg von 1990 bis 2016 um etwa 30000 auf rund 151000. Die Zahl der Einwohner wuchs im gleichen Zeitraum von 256000 auf zuletzt 293000. Am Zahlenverhältnis hat sich also gar nicht viel geändert. Allerdings ist der Anteil der Singlehaushalte deutlich gestiegen. In den vergangenen Jahren gab es zudem durch Finanzkrise und den innerdeutschen Zuzug nach Süddeutschland massive Sprünge bei Preisen und Mieten. Das wird für immer mehr Menschen zum Problem.
Die Stadt hat eine Reihe von Baugebieten ausgewiesen, die allesamt bebaut werden. Es muss Nachschub her, denn wenn die Preise durch die Decke gehen, ist die Erhöhung des Angebots ein zentraler Schritt. Um keine falschen Hoffnungen zu wecken: Angesichts der allgemeinen Baupreissteigerung und höherer Energiestandards, die wiederum höhere Baukosten nach sich ziehen, wird das nur preisdämpfende Wirkung haben. Sinkende Preise sind nicht in Sicht.
Ein großes Fragezeichen ist bei der Politik der Stadt beim Thema Sozialwohnungen zu machen. Momentan gibt es in Augsburg um die 6000 geförderte Wohnungen, 2020 dürften es rund 7500 derartige Wohnungen sein, unter anderem nicht mehr zu vergleichen, aber Niedriglohnjobs gibt es heute dafür eben im Dienstleistungssektor. Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) hat die Losung ausgegeben, dass bei der Entwicklung der Stadt auf alle Schichten und nicht nur auf die sozial Schwachen geschaut werden soll. Andernfalls entstehe eine Schieflage. Der Botschaft als solcher kann man zunächst nicht widersprechen. Die unausgesprochene Rechnung Gribls ist wohl: Würde Augsburg stärker bei Sozialwohnungen zulegen, würde die Stadt sozial schwächere Bewohner anziehen. Das wäre ein Problem, weil die Augsburger Bevölkerung in Bayern zur Ärmsten zählt. Die Herausforderungen, die das für die Stadtgesellschaft schon heute schafft, sind augenfällig. Aber natürlich würde es auch nicht zum Image der Aufsteiger-stadt passen, mit dem sich Augsburg seit der Botschaft „Die Uniklinik kommt“so gerne schmückt. Das Risiko von verknapptem erschwinglichem Wohnraum ist, dass die Bevölkerung, die jetzt schon hier lebt, in Schwierigkeiten gerät.
Eine Erhebung, wie viele Sozialwohnungen nötig wären, hat die Stadt nicht. Sie verweist darauf, dass die WBG ihre etwa 10 000 Wohnungen im Schnitt sehr günstig vermietet. Es gebe auch weitere Träger wie das Ulrichswerk oder die WBL des Landkreises Augsburg. Der Mieterverein sieht das anders. Die Stadt komme ihren Verpflichtungen nicht nach, wenn sie Sozialwohnungsbau nicht einfordere. Wenn heute schlecht verdienende 50-Jährige in ein paar Jahren in Rente gehen, reiche das Geld vielleicht nicht mehr, um die Miete der bisherigen Wohnung zu bezahlen, so Vorsitzender Thomas Weiand. In diese Kerbe schlägt seit Jahren auch die SPD, die für Neubaugebiete eine verbindliche Quote von 30 Prozent an geförderten Wohnungen fordert. Private Bauträger würden immer noch einen Gewinn damit machen, wenn auch vielleicht keinen so hohen wie mit Wohnungen im freien Markt. Baureferent Gerd Merkle (CSU) macht rechtliche Gründe gegen eine solche Quote geltend. Andere Städte scheinen sich darum aber nicht zu scheren und führen solche Quoten ein.
Davon hätten nicht nur sozial schwache Augsburger etwas, sondern auch Mittelschichtfamilien. Um eine Gettoisierung zu vermeiden, werden Häuser mit geförderten Wohnungen inzwischen mit einer Mischung aus Bewohnern – vom Hartz-iv-bezieher bis zur Mittelschichtfamilie – belegt. Einen Zuschuss zur Miete – in unterschiedlicher Höhe – bekommen alle.