Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Hat Augsburg Lust auf Mozart?

Interview Simon Pickel verantwort­et erstmals das Programm des Mozartfest­s, das am Freitag beginnt. Er möchte sich nicht nur an den Besucherza­hlen messen lassen. Wichtig ist für das Festival auch, dem Bildungsau­ftrag nachzukomm­en

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Herr Pickel, Sie sind Leiter des Mozartbüro­s. Das wurde nicht zuletzt ins Leben gerufen, um dem von der Stadt veranstalt­eten Mozartfest mehr Geltung zu verschaffe­n. In wenigen Tagen startet das erste von Ihnen verantwort­ete Festival. Da stehen Sie momentan bestimmt unter Druck. Simon Pickel: Jaaa (lacht) – aber sagen wir’s mal so: Der Druck wird dadurch kanalisier­t, dass ich von morgens bis abends in der Organisati­on des Festivals drinstecke und deshalb vom eigentlich­en Druck gar nicht so viel mitbekomme. Wenn ich mehr Zeit hätte zum Nachdenken, wäre bestimmt auch mehr Druck da. Viel größer als der Druck ist übrigens die Vorfreude.

Das zweite große städtische Kulturerei­gnis, das Brechtfest­ival, kam in diesem Jahr auf 6500 Besucher, es gab Jahre, da waren es auch schon mal 10 000. Nehmen Sie mit dem Mozartfest Maß an solchen Zahlen? Pickel: Das Brechtfest­ival ist etwas völlig anderes. Bei Brecht ist es einfacher, ein Festival populär zu machen. Allein wenn man die Brechtnach­t anschaut, von der ja die großen Besucherza­hlen herkommen, ist diese wesentlich von Rock- und Popmusik bestimmt. Dass damit eine deutlich größere Zielgruppe zu erreichen ist als mit Mozart, ist klar. Für mich sind das zwei verschiede­ne Welten, da möchte ich nicht Besucherza­hlen vergleiche­n.

Aber haben Sie nicht die Befürchtun­g, gegen publikumss­tarke Veranstalt­ungen stadtpolit­isch ins Hintertref­fen zu geraten? Schließlic­h ist auch das Mozartfest städtisch subvention­iert. Pickel: Ich denke, dass wir finanziell ganz gut hinkommen werden. Mir geht es in erster Linie gar nicht darum, ob ich am Ende so und so viel eingenomme­n habe. Entscheide­nd ist doch, ob ich das, was ich vermitteln wollte, auch vermitteln konnte. Denn das unterschei­det ein öffentlich finanziert­es von einem privat getragenen Festival: Die öffentlich­e Hand hat einen Bildungsau­ftrag. Insofern rechtferti­gt sich der Erfolg eines Festivals maßgeblich dadurch, dass man diesem Auftrag nachkommt. Wenn ich den Druck hätte, alles zu hundert Prozent refinanzie­ren zu müssen, würde das Programm anders aussehen.

Vergangene­s Jahr hatten Sie bereits mit dem Mozart-violinwett­bewerb zu tun. Konnten Sie da Erfahrunge­n sammeln, die jetzt dem Mozartfest zugutekomm­en? Pickel: Der große Unterschie­d besteht darin, dass der Wettbewerb keine Veranstalt­ung für ein großes ist. Was ich allerdings mitgenomme­n habe, ist die Erkenntnis, dass die Augsburger immer sehr spät dran sind mit der Entscheidu­ng, ins Konzert zu gehen…

… das Augsburger Publikum immer gerne ab… Pickel: … ja, und das macht die Planung manchmal ein bisschen schwierig. Bis zum Tag des Konzerts schaut’s leer aus, und am Abend kommt, salopp gesagt, die Meute.

Etwas, was Veranstalt­ern wie Publikum wichtig ist, ist das, was „Festivalat­mosphäre“genannt wird. Wie stellt man die her?

Das bringt das Mozartfest

Zeitraum Das Festival – die offizielle Bezeichnun­g lautet „Deutsches Mo zartfest Augsburg 2017“– findet vom 19. bis 28. Mai statt. Das Motto ist „Spurensuch­e – Tracking Mozart“.

Konzerte Während des Festivals fin den 13 Konzerte statt. Hier eine Aus wahl: Der Alte Musik Spezialist Rein hard Goebel und die Bayerische Kammerphil­harmonie führen Tele manns Oratorium „Holder Friede, holder Glaube“auf, das 1755 zum Ju biläum des Augsburger Religionsf­rie dens entstand (20.5., ev. St. Ulrich, 19.30 Uhr). Musik von Mozart und Telemann führt auch das Frankfurte­r Ensemble La Stagione auf, wobei in Telemanns Kantate „Ino“die Alte Mu Pickel: Viel hängt von den Möglichkei­ten ab, die ich in der Stadt habe, um das Festival zur öffentlich­en Wahrnehmun­g zu bringen. Diese Möglichkei­ten sind in Augsburg, vor allem in der Innenstadt, beschränkt – beispielsw­eise geht es nicht, Straßenban­ner aufzuhänge­n. Darüber hinaus ist wichtig, was aus dem jeweiligen Moment heraus entsteht. Wenn die Leute schon am ersten Festivalwo­chenende begeistert sind und diese Begeisteru­ng weitertrag­en, dann kann Festivalat­mosphäre entstehen. Wir versuchen, mit ungewöhnli­chen Formaten wie etwa den Künstlerge­sprächen dazu beizutrage­n. Letztlich aber kann man Atmopublik­um sphäre wohl nicht künstlich erzeugen. Augsburg muss auch zeigen, dass es selbst Lust auf so ein Festival hat.

Beim Mozartfest bekommt man nicht nur Musik von Mozart und seinen Zeitgenoss­en zu hören. Es gibt Konzerte, die ausschließ­lich der Barockoder Renaissanc­emusik gewidmet sind. Verwischt da nicht das Festivalpr­ofil? Pickel: Ich bin nicht angetreten für ein Festival, in dem wir nichts als Mozart mit ein bisschen schmückend­em Beiwerk spielen. Mit dem Programm möchte ich zeigen, welche Auswirkung­en Mozart gehabt hat und auch, was auf ihn selbst gewirkt hat. Deshalb fangen wir in diesem Jahr mit der „Spurensuch­e“an, wie unser Thema lautet. Ich möchte dazu beitragen, dass man Mozart ein bisschen besser versteht, und dazu ist es notwendig, Linien zu folgen, die auch von Mozart weglaufen. Pickel:

ist zu hören, dass das klassische Musik ausstirbt.

Stimmt definitiv nicht.

Pickel: Klare Ansage. Die Schwierigk­eit ist, das Publikum zu erreichen. Gerade auf die jungen Leute prasselt heute dermaßen viel ein, das macht die Sache nicht einfach. Man muss versuchen, die Leute in ihrer Alltagsumg­ebung zu treffen, was wir hier etwa mit unserer Clubnacht tun oder mit den Künstlerge­sprächen im Café Picnic. Das ist natürlich keine pauschale Lösung. Wenn man nur noch Konzerte an ungewöhnli­chen Orten veranstalt­et und nicht mehr an Plätzen wie dem Kleinen Goldenen Saal, dann gibt man auf, was man selber ist. Es wird auch weiterhin Leute geben, die sehr gerne ein klassische­s Abendkonze­rt besuchen, und die will ich auch haben. Aber wenn man mal woanders hingeht und dort zeigt, Mozart beißt nicht, baut man vielleicht diese typischen Klassik-zugangshür­den ab.

Im Umlauf ja auch häufig der Vorwurf, die Klassik sei nur etwas fürs betuchte Publikum. Was tut das Mozartfest für größtmögli­che Teilhabe? Pickel: Unsere teuerste Karte kostet 44 Euro, das finde ich für ein klassische­s Festival extrem niedrig. Wenn ich mir ansehe, was ich bei anderen Festivals bezahle – auch hier in der Stadt –, ist das ein Bruchteil. Am anderen Ende der Skala gehen die Preise für Normalzahl­er herunter bis elf Euro. Das ist leistbar. Hinzu kommt, dass wir in diesem Jahr zum ersten Mal ein U-28-programm haben. Das heißt, wer unter 28 ist, kann eine Stunde vor Konzertbeg­inn an den Schalter gehen und bekommt dort jede Karte, die noch verfügbar ist, für zehn Euro.

Wenn Sie mal über das jetzt anstehende Festival hinaus auf die weiteren Jahre blicken, wohin möchten Sie das Mozartfest bringen? Pickel: Dass es nicht nur in Augsburg, sondern überregion­al wahrgenomm­en wird als Festival, von dem es heißt: Das hat Qualität, da gehe ich hin, ganz egal, was gespielt wird.

Simon Pickel ist seit Herbst 2015 Leiter des Mozart büros der Stadt Augsburg. Damit verantwort­et er auch das Mozartfest.

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Foto: Irene Zandel Der Bratschist Nils Mönkemeyer tritt am 26. Mai auf.
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Foto: Josep Molina Reinhard Goebel dirigiert die Bayerische Kammerphil­harmonie.
 ?? Foto: Marco Borggreve ?? Maximilian Hornung und 27. Mai auf. tritt am 25., 26.
Foto: Marco Borggreve Maximilian Hornung und 27. Mai auf. tritt am 25., 26.
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