Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
EU kämpft gegen Laptop Verbot auf Flügen
Sicherheit Die USA fürchten, dass Terroristen Bomben in den Computern verstecken. Ein Bann birgt aber Risiken
Brüssel Washington hat die EU wieder einmal verärgert. Als die USA im März ein Laptop-verbot für Flugreisende aus acht Ländern des arabischen Raums sowie aus Nordafrika erließen, glaubten sich die Europäer noch sicher. Inzwischen hat sich die Situation verändert. Denn die USA scheinen Geheimdienstinformationen zu haben, die besagen, dass Terroristen eine Methode entwickelt haben, Sprengsätze in Laptops zu verstecken und diese unbemerkt durch Sicherheitskontrollen zu schleusen. Deshalb möchten sie das Laptop-verbot auch auf europäische Fluggäste ausweiten.
Gestern trafen in Brüssel deshalb Vertreter des Us-heimatschutzministeriums mit Experten der EU zusammen. Zuvor machten Spekulationen von einer unmittelbar bevorstehenden Ausweitung der jüngsten Sicherheitsauflagen auch auf Flüge von Europa nach Nordamerika die Runde. Nach dem Treffen sei der Wille bekräftigt worden, „im Bereich der Luftfahrtsicherheit weiter eng zusammenzuarbeiten“, hieß es in einer Erklärung beider Seiten am Abend. Sie sollen nächste Woche auf Expertenebene fortgesetzt werden, dann in Washington.
Wie tief die Verwunderung der Eu-kommission wirklich ist, verriet ein Schreiben von Verkehrskommissarin Violeta Bulc und ihrem Kollegen Dimitris Avramopoulos, der für die innere Sicherheit zuständig ist. Sie hatten in der Vorwoche auf das Treffen gedrungen, das gestern zustande kam. Diese Beratungen sollten als „vordringlich betrachtet werden, um auf politischer und technischer Ebene das Risiko zu bewerten und mögliche Maßnahmen zu prüfen“. Mit anderen Worten: Man hegt erhebliche Zweifel am Sinn der geplanten Vorschrift. Ralf Beisel, Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbandes ADV, bemühte sich in einem Statement, die Bedenken der Amerikaner an den hiesigen Sicherheitsstandards zu zerstreuen. „Wir haben an deutschen Flughäfen zuverlässige Kontrollen“, erklärte er.
Im März verhängte Washington ein solches Laptop-verbot auf Flüge aus acht arabischen und nordafrikanischen Ländern. Reisende dürfen dort keine Geräte mehr mit in die Kabine nehmen, die größer sind als ein Smartphone. Das gilt auch für Tablets, Laptops oder E-bookreader. Sie dürfen seither auf Flügen der großen Linien wie Etihad, Qatar Airways oder Emirates nur noch im Frachtraum mitgeführt werden – ein heftiger Rückschlag für Geschäftsreisende, die auf den Routen Richtung USA das Gros der Passagiere stellen. Bisher sind davon rund 350 Flüge pro Woche betroffen. Würden die Us-behörden den „E-ban“auf die EU ausweiten, kämen weitere 2500 Flüge mit 100 000 Passagieren dazu, schätzt der Weltluftfahrtverband IATA. Es geht übrigens lediglich um Verbindungen der Airlines in die USA, nicht aber zurück.
Wie die Maßnahme technisch und organisatorisch umzusetzen wäre, erscheint derzeit außerdem schleierhaft. Die Airports stehen vor gewaltigen praktischen Hindernissen. Bisher dürfen Flughafen-mitarbeiter Fluggästen nicht zwingen, elektronische Geräte abzugeben. Man bräuchte also Personal mit erhöhten Kompetenzen und zusätzliche Kontrollstellen. Wie sich die Sicherheitsbeauftragten am Flughafen verhalten sollen, wenn ein Laptop in einem Rucksack zu spät entdeckt wird, während der Passagier bereits eingecheckt hat, weiß auch niemand. Längere Standzeiten der Jets, deutlich ausgeweitete Zeitfenster für das Einsteigen – all das käme auf die Flughäfen zu. Nicht gelöst wurde bisher auch ein weiteres Problem: Zahlreiche Banken und Technologiefirmen verpflichten ihre Mitarbeiter, den Laptop ständig bei sich zu tragen, um zu verhindern, dass Unbefugte die geheimen Geschäftsinformationen auslesen.
In Brüssel herrschte gestern die Hoffnung vor, dass Washington nicht einseitig zusätzliche Hürden für Transatlantik-reisende erlässt – zumal die Gefahr, dass Terroristen elektronische Geräte als Transportmittel für Sprengsätze benutzen, von den Sicherheitsdiensten höchst unterschiedlich bewertet wird. Ein anonymer Experte meinte in einem Fachforum des Internet: „Die Maßnahme macht sowieso keinen Sinn. Denn wenn ein Laptop explodiert, ist es kein Unterschied, ob er die Kabine oder den Frachtraum aufreißt.“Der europäische Pilotenverband European Cockpit Association wies außerdem darauf hin, dass die Lagerung von zahlreichen Lithiumakkus im Frachtraum als Brandrisiko gelte. Ein solches Feuer wieder zu löschen könne sich als unmöglich erweisen, warnen die Piloten.
Arabische Airlines haben derweil auf den Bann reagiert. Um ihre Geschäftskunden nicht zu verlieren, verteilen sie Tablet-computer an die Gäste der Premium- und Business-klasse. Mit ihnen können Reisende in der Luft arbeiten und ihre Daten nach der Landung auf einem Stick mitnehmen.