Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Sie wagen sich in die Schlaglöch­er des Balkans

Reise Zwei Augsburger­innen starten in ein außergewöh­nliches Motorsport-abenteuer: In einem alten Auto fahren sie 4000 Kilometer auf Holperstre­cken – und wollen Werbung für ihre Heimatstad­t machen

- VON MICHAEL EICHHAMMER

Während die Augen der Welt auf die Königsklas­se des Rennsports gerichtet sind, fiebern zwei Augsburger­innen ihrem Debüt bei einer der ungewöhnli­chsten Rallye-veranstalt­ungen entgegen. Die Regeln beim „Pothole Rodeo“(Schlagloch­rodeo), an dem Dijana (30) und Anja (34) zwischen 8. und 15. Juli teilnehmen, sind skurril: In acht Tagen reisen die Teams quer durch den Balkan. Auf der 4000 Kilometer langen Route durch elf Länder gibt es ausreichen­d holprige Schlagloch­pisten. Los geht es in Graz (Österreich), das Ziel ist Split in Kroatien. Zugelassen sind lediglich sogenannte „Junk Cars“, also Fahrzeuge, die mindestens zwanzig Jahre auf dem Blechbucke­l und nicht mehr als 500 Euro gekostet haben. Das Ziel lautet daher: in einem Stück ankommen.

Dank der beiden besten Freundinne­n sollte das „Pothole Rodeo“für Augsburger spannender sein als die Formel 1, denn die Abenteuerr­allye auf der Suche nach den letzten Schlaglöch­ern Europas bietet etwas, womit die Motorsport-weltmeiste­rschaft nicht mithalten kann: ein Team, das unter Augsburger Flagge fährt. „Wir nennen uns Augusta Rockers in Anspielung auf Augusta Vindelicor­um, den römisch-antiken Namen von Augsburg – und weil wir die Rallye rocken werden“, erklärt Dijana. Für Letzteres soll ein Mercedes C200, Baujahr 1995, sorgen.

„Balkan-mobil“nennen Anja und Dijana ihr Gefährt. Der Wagen hatte zwei Vorbesitze­r und wurde zuletzt zwanzig Jahre lang von einer Dame gefahren, „die bestimmt nicht gedacht hat, dass ihr Auto noch einmal eine so große Reise macht“.

Dass Dijana und Anja diese große Reise machen, hätten sie bis vor Kurzem nicht mal selbst gedacht, denn die Teilnahme an der Schlagloch-rallye war eine Nacht-undnebel-aktion. Als ein Freund der beiden Informatio­nen über das Rennen auf Facebook veröffentl­icht hatte, entschiede­n sie spontan: „Nicht immer nur labern über verrückte Ideen, da machen wir mit.“Zu ge- winnen gibt es beim Pothole Rodeo nur Ruhm und Ehre, doch „Geld war uns egal, Hauptsache Spaß haben und andere Länder kennenlern­en“, erklärt Dijana. Kurzerhand erbaten sich die beiden Beamtinnen Urlaub und bewarben sich zwei Tage vor dem Anmeldesch­luss an Silvester online. Und das, ohne zu wissen, ob sie in der Kürze der Zeit ein Fahrzeug organisier­en könnten, das alt und billig genug wäre.

Bei der Suche nach ihrem Retrorennw­agen landeten sie bei einem Autohaus nahe Augsburg. „Wir haben uns bei der Probefahrt sofort verliebt“, erinnert sich Anja. Doch die inneren Werte des Mercedes waren weniger überzeugen­d als der schöne Schein: Für 150 Euro wurden die Bremsleitu­ngen erneuert und die Karosserie aufgemotzt. Dennoch scheiterte­n die Frauen beim TÜV. Ein zweiseitig­er Mängelberi­cht und Reparaturk­osten von etwa 800 Euro gefährdete­n den Einstieg in den Rennsport. Doch Aufgeben war keine Option: Anja und Dijana schrieben 150 potenziell­e Sponsoren an – ohne Reaktion.

In letzter Minute fasste sich eine Werkstatt ein Herz und unterstütz­te das Projekt. Als Sponsor übernahmen die Kfz-experten die Reparatur. Nun fand sich auch ein zweiter, hochprozen­tiger Sponsor: Der schwäbisch­e Spirituose­n-hersteller August Gin passte wie die Faust aufs Auge zum lokalpatri­otischen Spirit der Augusta Rockers. Den Augsburg-bezug des Rallye-fahrzeugs werden die Zuschauer auf der Route durch elf Länder nicht nur durch dieses Sponsoren-logo erkennen, sondern auch durch die Teamt-shirts sowie einer einzigarti­gen Kühlerfigu­r: Statt des Mercedesst­erns ziert die Front des C200 die aus dem Stadtwappe­n bekannte Zirbelnuss. Gefertigt hat dieses Unikat ein Freund der beiden – aus einem silbernen Weinversch­luss. „Unsere Idee war, Werbung für Augsburg zu machen“, erklärt Anja. Ein weiterer Bezug zur Heimatstad­t an Bord des 500-Euro-rallyefahr­zeugs: eine gehäkelte Toilettenr­olle in den Farben Rot-grün-weiß, angefertig­t von Anjas Mutter.

Die Eltern der beiden Rallyeazub­is waren von der verrückten Idee ursprüngli­ch wenig begeistert, doch Dijana beruhigte sie: „Wenn unterwegs etwas mit dem Auto passieren sollte, sind Schrauber dabei, die uns sicher gerne helfen.“Mittlerwei­le sind die Eltern die größten Fans der Augusta Rockers.

„Ein solches Unterfange­n kann man nicht mit jedem durchziehe­n, denn Extremsitu­ationen könnten im Streit enden, wenn man kein gutes Team ist“, weiß Anja. Am Teamgeist wird ihr Rallye-abenteuer schon mal nicht scheitern, denn die beiden Frauen haben sich vor elf Jahren in der Beamtenaus­bildung kennengele­rnt und sind seitdem unzertrenn­lich.

Eine eigens eingericht­ete Facebook-seite soll die Unterstütz­er der Augusta Rockers während der Rallye immer auf dem Laufenden halten. „Das ist eine komplett andere Erfahrung, davon kann man seinen Enkeln später noch erzählen“, ist Anja überzeugt.

Das Team auf Facebook: facebook.com/augustaroc­kers Offizielle Seite der Rallye: pothole rodeo.com

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Foto: Michael Eichhammer Immer der Zirbelnuss nach: Dijana (links) und Anja haben ihr Fahrzeug mit dem Augsburger Symbol verziert.

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