Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Sie wagen sich in die Schlaglöcher des Balkans
Reise Zwei Augsburgerinnen starten in ein außergewöhnliches Motorsport-abenteuer: In einem alten Auto fahren sie 4000 Kilometer auf Holperstrecken – und wollen Werbung für ihre Heimatstadt machen
Während die Augen der Welt auf die Königsklasse des Rennsports gerichtet sind, fiebern zwei Augsburgerinnen ihrem Debüt bei einer der ungewöhnlichsten Rallye-veranstaltungen entgegen. Die Regeln beim „Pothole Rodeo“(Schlaglochrodeo), an dem Dijana (30) und Anja (34) zwischen 8. und 15. Juli teilnehmen, sind skurril: In acht Tagen reisen die Teams quer durch den Balkan. Auf der 4000 Kilometer langen Route durch elf Länder gibt es ausreichend holprige Schlaglochpisten. Los geht es in Graz (Österreich), das Ziel ist Split in Kroatien. Zugelassen sind lediglich sogenannte „Junk Cars“, also Fahrzeuge, die mindestens zwanzig Jahre auf dem Blechbuckel und nicht mehr als 500 Euro gekostet haben. Das Ziel lautet daher: in einem Stück ankommen.
Dank der beiden besten Freundinnen sollte das „Pothole Rodeo“für Augsburger spannender sein als die Formel 1, denn die Abenteuerrallye auf der Suche nach den letzten Schlaglöchern Europas bietet etwas, womit die Motorsport-weltmeisterschaft nicht mithalten kann: ein Team, das unter Augsburger Flagge fährt. „Wir nennen uns Augusta Rockers in Anspielung auf Augusta Vindelicorum, den römisch-antiken Namen von Augsburg – und weil wir die Rallye rocken werden“, erklärt Dijana. Für Letzteres soll ein Mercedes C200, Baujahr 1995, sorgen.
„Balkan-mobil“nennen Anja und Dijana ihr Gefährt. Der Wagen hatte zwei Vorbesitzer und wurde zuletzt zwanzig Jahre lang von einer Dame gefahren, „die bestimmt nicht gedacht hat, dass ihr Auto noch einmal eine so große Reise macht“.
Dass Dijana und Anja diese große Reise machen, hätten sie bis vor Kurzem nicht mal selbst gedacht, denn die Teilnahme an der Schlagloch-rallye war eine Nacht-undnebel-aktion. Als ein Freund der beiden Informationen über das Rennen auf Facebook veröffentlicht hatte, entschieden sie spontan: „Nicht immer nur labern über verrückte Ideen, da machen wir mit.“Zu ge- winnen gibt es beim Pothole Rodeo nur Ruhm und Ehre, doch „Geld war uns egal, Hauptsache Spaß haben und andere Länder kennenlernen“, erklärt Dijana. Kurzerhand erbaten sich die beiden Beamtinnen Urlaub und bewarben sich zwei Tage vor dem Anmeldeschluss an Silvester online. Und das, ohne zu wissen, ob sie in der Kürze der Zeit ein Fahrzeug organisieren könnten, das alt und billig genug wäre.
Bei der Suche nach ihrem Retrorennwagen landeten sie bei einem Autohaus nahe Augsburg. „Wir haben uns bei der Probefahrt sofort verliebt“, erinnert sich Anja. Doch die inneren Werte des Mercedes waren weniger überzeugend als der schöne Schein: Für 150 Euro wurden die Bremsleitungen erneuert und die Karosserie aufgemotzt. Dennoch scheiterten die Frauen beim TÜV. Ein zweiseitiger Mängelbericht und Reparaturkosten von etwa 800 Euro gefährdeten den Einstieg in den Rennsport. Doch Aufgeben war keine Option: Anja und Dijana schrieben 150 potenzielle Sponsoren an – ohne Reaktion.
In letzter Minute fasste sich eine Werkstatt ein Herz und unterstützte das Projekt. Als Sponsor übernahmen die Kfz-experten die Reparatur. Nun fand sich auch ein zweiter, hochprozentiger Sponsor: Der schwäbische Spirituosen-hersteller August Gin passte wie die Faust aufs Auge zum lokalpatriotischen Spirit der Augusta Rockers. Den Augsburg-bezug des Rallye-fahrzeugs werden die Zuschauer auf der Route durch elf Länder nicht nur durch dieses Sponsoren-logo erkennen, sondern auch durch die Teamt-shirts sowie einer einzigartigen Kühlerfigur: Statt des Mercedessterns ziert die Front des C200 die aus dem Stadtwappen bekannte Zirbelnuss. Gefertigt hat dieses Unikat ein Freund der beiden – aus einem silbernen Weinverschluss. „Unsere Idee war, Werbung für Augsburg zu machen“, erklärt Anja. Ein weiterer Bezug zur Heimatstadt an Bord des 500-Euro-rallyefahrzeugs: eine gehäkelte Toilettenrolle in den Farben Rot-grün-weiß, angefertigt von Anjas Mutter.
Die Eltern der beiden Rallyeazubis waren von der verrückten Idee ursprünglich wenig begeistert, doch Dijana beruhigte sie: „Wenn unterwegs etwas mit dem Auto passieren sollte, sind Schrauber dabei, die uns sicher gerne helfen.“Mittlerweile sind die Eltern die größten Fans der Augusta Rockers.
„Ein solches Unterfangen kann man nicht mit jedem durchziehen, denn Extremsituationen könnten im Streit enden, wenn man kein gutes Team ist“, weiß Anja. Am Teamgeist wird ihr Rallye-abenteuer schon mal nicht scheitern, denn die beiden Frauen haben sich vor elf Jahren in der Beamtenausbildung kennengelernt und sind seitdem unzertrennlich.
Eine eigens eingerichtete Facebook-seite soll die Unterstützer der Augusta Rockers während der Rallye immer auf dem Laufenden halten. „Das ist eine komplett andere Erfahrung, davon kann man seinen Enkeln später noch erzählen“, ist Anja überzeugt.
Das Team auf Facebook: facebook.com/augustarockers Offizielle Seite der Rallye: pothole rodeo.com