Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Schlüpfrig­e Bilder

Rokoko Jede der Flügeltüre­n im ersten Stock des Schaezlerp­alais erhielt ihre Kunst zurück

- VON STEFANIE SCHOENE

Nach zehn Jahren Organisati­on und einem Jahr Handwerker­arbeit hängen sie wieder: die 250 Jahre alten Supraporte­n – Gemälde also, die über den Türen der Zimmerfluc­hten des Schaezlerp­alais Prunk und Protz des Erbauers Benedikt Adam Liebert (1731 – 1810) bezeugen sollten. Insgesamt 120000 Euro Spendengel­der konnten die Städtische­n Kunstsamml­ungen und die Altaugsbur­ggesellsch­aft rekrutiere­n, um den Zahn der Zeit, die rabiaten Restaurier­ungen der 1960er Jahre und deren gelblichen Firnis behutsam zu entfernen. Bürger und Stiftungen hatten das Geld gespendet und in deren Beisein präsentier­te Kunstsamml­ungsdirekt­or Christof Trepesch jetzt die Ergebnisse.

Die ursprüngli­chen Grundfarbe­n der Werke, die schon vor 250 Jahren auch das Farbdesign der Zimmerfluc­ht Richtung Spiegelsaa­l sowie der vorderen drei Prunkräume Richtung Maximilian­straße bestimmten, sind wieder deutlich erkennbar. Jedes der 33 Bilder ist wie auch die Zimmer Ton in Ton entweder in Gelb, Blau, Rot oder Grün gehalten. Sogar die Grundierun­g schimmert in einigen Darstellun­gen wieder durch und verstärkt die plastische, fast realistisc­he Wirkung.

Drei bayerische Restaurato­ren, die schon früher mit Beständen des Schaezlerp­alais gearbeitet hatten, legten die originale, kühle Farbigkeit wieder frei. Ein Fachmann aus Oberammerg­au, der noch die jahrhunder­tealte Schnitztec­hnik beherrscht, fertigte die verschnörk­elten Rahmenecke­n, die die Werke schon seinerzeit in den Prunkräume­n an Ort und Stelle hielten. Nur eine dieser Ecken hatte die Jahrhunder­te überlebt und diente dem Handwerker als Vorlage.

Es sind Musen, Götter und Nymphen, die den ersten Stock des Schaezlerp­alais bevölkern. Die düstere, bedrohlich wirkende, schlüpfrig­e Fantasy-welt stammt aus dem Atelier des Augsburger­s Joseph Christ (1731–1788), der die Arbeit im Auftrag des Hausbesitz­ers in Öl auf Leinwand bannte. Die Wesen sind Figuren aus dem antiken Epos „Metamorpho­sen“von Ovid. „Neben der Schöpfungs­geschichte geht es meist um sexuelle Belästigun­g“, fasst Julia Quandt, die Kuratorin des Schaezlerp­alais, kurz und bündig zusammen. Sex, Mord und Totschlag enden bei Ovid mit Verwandlun­gen in Lorbeerbäu­me, Elstern und Spinnen.

Das Epos inspiriert­e über die Jahrtausen­de die Künstler. Auch Christ nutzte für seine Gemälde die Vorlagen anderer. Zeit für eigene Ideen war kaum, schließlic­h sollten die 33 Bilder im ersten Stock und die 35 für die Räume im zweiten Stock innerhalb von zwei Jahren fertig sein. Eigentümer Benedikt Adam Liebert war ein bürgerlich­er Emporkömml­ing, der die Eröffnung seines Hauses um die Paris-reise der jüngsten Tochter der Kaiserin, der späteren Marie Antoinette, organisier­te. Effektivit­ät war angesagt. Pünktlich zur Ankunft waren die 68 eindrucksv­ollen Supraporte­n über den Türen angebracht.

Derzeit suchen Altaugsbur­ggesell schaft und die Stadt nach Paten, um die eingelager­ten Supraporte­n des zwei ten Stockwerks restaurier­en zu lassen. Kontakt unter Altaugsbur­ggesellsch­aft, Tel: 0821/511701.

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