Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Von wegen nur die Älteren
Lebenswandel Immer mehr Kinder und Jugendliche haben zu hohen Blutdruck. Oftmals bleibt das unbemerkt. Dahinter steckt auch ein gesellschaftliches Problem: die Zahl von übergewichtigen Heranwachsenden steigt
Ein erhöhter Blutdruck wird vor allem mit älteren Menschen in Verbindung gebracht. Zunehmend sind jedoch auch Kinder und Jugendliche betroffen. „Wir können in westlichen Ländern eine deutliche Zunahme an erhöhten Blutdruckwerten bei übergewichtigen Kindern feststellen“, warnte Robert Dalla Pozza, leitender Oberarzt der Abteilung für Kinderkardiologie am Uniklinikum München, anlässlich des Welthypertonie-tages vergangene Woche.
Zwar habe es schon immer Kinder mit einem erhöhten Blutdruck gegeben, etwa aufgrund einer Nierenerkrankung, erklärt Dalla Pozza. Seit einigen Jahren aber würden zunehmend übergewichtige Kinder wegen höherer Blutdruckwerte an Kinderkardiologen überwiesen. Um der gefährlichen Entwicklung etwas entgegenzusetzen, müssten Übergewicht und Fettsucht behandelt werden. Allerdings, so sieht es der Experte für Gefäßerkrankungen, fehle oftmals das nötige Bewusstsein in Familien, aber auch bei Medizinern. „Diese Kinder werden dann völlig unnötigerweise mit Medikamenten behandelt, obwohl die richtige Therapie die Gewichtsabnahme in Verbindung mit sportlicher Betätigung wäre“, so der Medizinprofessor.
Dass die Zahlen steigen – manche Experten gehen davon aus, dass etwa fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen betroffen sind – ist aus Sicht des Mediziners auch ein gesellschaftliches Problem. Mit Blick auf die schwerwiegenden Krankheiten, die solchen Patienten im Erwachsenenalter drohen – etwa Herzinfarkt, Schlaganfall oder Nierenversagen –, müsse der Lebenswandel Heranwachsender stärker zum Thema werden. So müsse etwa ein Verbot von Softdrinks an Schulen ebenso diskutiert werden wie eine Sonderabgabe auf Fast-food-produkte, sagt Dalla Pozza. „Zu einem tatkräftigeren Handeln hat sich die Politik bisher nicht aufraffen können.“
Auch Elke Wühl, Oberärztin am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin am Heidelberger Universitätsklinikum, sieht Übergewicht bei Kindern als einen Grund für die alarmierende Entwicklung. „Jedes vierte Kind mit Fettleibigkeit leidet
Blutdruck: Keine einheitlichen Normwerte bei Kindern
Unter „Blutdruck“versteht man den Druck, mit dem das Blut bei jedem Herzschlag durch die Gefäße fließt. Man spricht auch vom arteriellen Blut druck, der in den Arterien gemessen wird. Der Wert wird in zwei Zahlen an gegeben. Bei dem ersten Wert han delt es sich um den systolischen Druck, bei dem zweiten Wert um den dias tolischen Druck. Während das Herz pumpt, ist der Druck größer. Das ist der systolische Druck. Der Druck, wäh rend das Herz zwischen zwei Schlä gen entspannt, wird als diastolischer Druck angegeben.
Bei Kindern gibt es keine einheitli chen Normwerte für den Blutdruck. Der Normwert steigt, immer abhängig von Alter, Größe und Gewicht, bis zum 18. Lebensjahr an. Für ein vier Jahre altes Kind gibt die deutsche Hochdruckliga beispielsweise einen Normwert von 95/50 mmhg an, bei einem acht Jahre alten Kind gilt ein Wert von 100/60 mmhg als normal.
Kopfschmerzen, häufiges Nasenblu ten, Sehstörungen – Bluthochdruck kann sich bei Kindern durch ähnliche Anzeichen wie bei Erwachsenen äu ßern. Oftmals aber bleibt Hypertonie unbemerkt, da bei Kindern vor allem zu Beginn noch kaum Symptome auf treten. (AZ) unter Bluthochdruck“, sagt die Professorin, die Mitglied der Kommission „Hypertonie bei Kindern und Jugendlichen“bei der Deutschen Hochdruckliga ist.
Allerdings könnten auch normalgewichtige Kinder an Bluthochdruck erkranken. Eine frühzeitige Diagnose sei notwendig. Aber gerade das ist schwierig: Bluthochdruck bei Kindern bleibt oftmals unbemerkt. Daher hat die European Society of Hypertension ihre Leitlinien zur Behandlung von Hochdruckerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen überarbeitet. Bekräftigt wird die Forderung, dass Kinderund Hausärzte bei allen Kindern und Jugendlichen den Blutdruck checken sollten. Zwar gibt es in Deutschland viele Ärzte, die bereits so verfahren – aber es sind längst nicht alle. „Ab dem dritten Lebensjahr sollte dies bei jeder ärztlichen Vorstellung erfolgen“, fordert Wühl.
Das unterstützt auch der Göttinger Kinderkardiologe Martin Hulpke-wette. Gleichwohl sei die Diagnose des Bluthochdrucks bei Kindern und Jugendlichen nicht einfach. So benötigten Kinderärzte etwa spezielle Blutdruckmanschetten, deren Breite und Länge den kleinen Oberarmen angepasst sein müssen. Vor allem aber müssten Kinderärzte und Kardiologen enger zusammenarbeiten, um früh mögliche Fehlentwicklungen zu diagnostizieren. Auch Hulpke-wette sieht es als notwendig an, bei der Lebensweise von Kindern und Jugendlichen anzusetzen. Sogenannte Energy-drinks etwa könnten mit ihrem hohen Koffeingehalt den Bluthochdruck erhöhen und stellten ein großes Risiko für Heranwachsende dar. Es gebe Kinder, die nahezu täglich solche Getränke konsumieren. Erst vergangene Woche wurde ein aktueller Fall aus den USA bekannt: Ein 16-Jähriger starb im Bundesstaat South Carolina an den Folgen einer Überdosis Koffein. Der Teenager brach im Unterricht zusammen, nachdem er einen Milchkaffee, eine Zitronenlimonade mit hohem Koffeingehalt und einen Energy-drink getrunken hatte. Die große Menge an Koffein in kurzer Zeit habe mit hoher Wahrscheinlichkeit Herzrhythmusstörungen ausgelöst, erklärte ein Gerichtsmediziner.