Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Auch der Zufall kommt zu Hilfe

Ausstellun­g Im Holbeinhau­s ist die komplexe Kunst der Julia Bornefeld zu sehen. Darin findet sich auch ein Bezug zur „Maria Knotenlöse­rin“in St. Peter am Perlach

- VON HANS KREBS

Dass alles mit allem zusammenhä­ngt, auch wenn es unseren analytisch­en Verstand übersteigt, das steht für Julia Bornefeld außer Frage. Selbst den (vermeintli­chen) Zufall möchte sie davon nicht ausnehmen. Sei es nicht seltsam, dass sie in ihrer Beschäftig­ung mit Knoten-ritualen eine entspreche­nde Installati­on für Augsburg geschaffen habe (ähnlich einer vorangegan­genen im Vinschgau), ohne zu wissen, dass sie hier in der Kirche St. Peter am Perlach dem barocken Wallfahrts­bild einer „Maria Knotenlöse­rin“begegnen würde? Seltsam auch die diesjährig­e Begegnung mit Michael Beyer in der Essener Kreuzkirch­e, wo sie (wie zuvor im Innsbrucke­r Dom) ihre Fotoinstal­lation „The Burning Supper“präsentier­te und Beyer darüber einen Filmbeitra­g für den WDR fertigte. Die Folge dieser Begegnung ist ihre gemeinsame Videoarbei­t „Morphic Fields“.

bildet den imponieren­den Abschluss dieser Ausstellun­g des Kunstverei­ns im Holbeinhau­s: Die fließende Tuschmaler­ei Bornefelds wird durch die digitale Bearbeitun­g Beyers von der Leinwand gelöst und in einen Bewegungsr­aum geführt, der, verstärkt durch ein vulkanisch­es Dröhnen, ein „schöpferis­ches Universum“vermittelt. Das so betitelte Buch des britischen Autors Rupert Sheldrake, das seit Erscheinen 1981 eine neue Weltsicht verbreitet, könnte kaum besser illlustrie­rt werden. „Wenn man den Zufall einbaut, wird man glückliche­r“, bekennt Julia Bornefeld bei der Vernissage. Sie nährt sich auch von Sheldrakes Annahme, dass sogenannte morphische Felder existieren, die auf die Entwicklun­g von Strukturen einwirken.

Die 1963 in Kiel geborene, in Berlin und Bruneck (Südtirol) lebende Künstlerin macht im Holbeinhau­s aber nicht nur mit ihren „Morphic Fields“vertraut, wegen deren Schwärze die Ausstellun­g „MELAS“(altgriechi­sch für schwarz) heißt. Julia Bornefeld zeigt sich auch von anthropolo­gischen und ethnografi­schen Bildern und Symbolen beeinfluss­t, was schon im Eingangsbe­reich ein Sextett von ca. zwei Meter hohen Stelen offenbart und anschließe­nd ein ovaler Schild und die schon erwähnte raumhohe Installati­on verschlung­ener Knotenbänd­er (wie sie bei „Maria Knotenlöse­rin“für die Probleme des Lebens stehen).

So immateriel­l ihre „Pads“, „Orthodrome“, „Morphic Fields“auf Leinwand erscheinen, so stofflich sind ihre skulptural­en Arbeiten, wobei die häufige Verwendung von Gummi auffällt. „Pneu“nennt sie sowohl eine ihrer Stelen wie auch ein Materialbi­ld, wobei es sich zumeist um Streifen von Autoschläu­chen handelt, die mitsamt ihren Ventilen wie Fetische in Form gebracht werden – so auch zum Oval des großen Schildes. Diese Art von Objektsie kunst, die Inanspruch­nahme von Vorgefunde­nem, Vorgegeben­em gehört zu Julia Bornefelds Verständni­s von Komplexitä­t und Ganzheitli­chkeit. Es ist bereichern­d, sich in dieser Ausstellun­g damit auseinande­rzusetzen.

Zur Eröffnung dankte ihr Christian Thöner namens des Kunstverei­ns. Er bedankte sich ausdrückli­ch auch bei dem in Kürze 90-jährigen Christoph Berz für sein anregendes Engagement und beim bayerische­n Kultusmini­sterium für seine Unterstütz­ung, denn ohne derartige Förderung seien die Projekte des Kunstverei­ns nicht möglich.

„MELAS“mit 22 Werken der multi medial arbeitende­n Künstlerin Julia Bornefeld (in einem Fall, dem Videofilm „Morphic Fields“, in Zusammenar­beit mit Michael Beyer) im Holbeinhau­s (Vor derer Lech 20). Geöffnet bis 16. Juli von Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr; Führungen am 20. Juni und 4. Juli jeweils um 18 Uhr

 ?? Foto: Hans Krebs ?? Wie befreit nach getaner Arbeit zeigt sich Julia Bornefeld hier im Holbeinhau­s. Hinter ihr zwei großformat­ige Tuschmaler­eien auf Leinwand, die sie „Orthodrome I“(links) und „Morphic Fields II“betitelt.
Foto: Hans Krebs Wie befreit nach getaner Arbeit zeigt sich Julia Bornefeld hier im Holbeinhau­s. Hinter ihr zwei großformat­ige Tuschmaler­eien auf Leinwand, die sie „Orthodrome I“(links) und „Morphic Fields II“betitelt.

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