Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Filmstar und das Federvieh

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Fotografie­n festgehalt­en hat. Das passende Buch zum sich derzeit weit aufpluster­nden Trend. Hühner nämlich gelten als die neuen Bienen! Also so etwas wie das Must-havetier für den nachhaltig­keitsgetri­ebenen Hobby-bauern und Urban Farmer. In Long Island, in Hollywood und längst auch hier.

„Immer mehr Menschen wenden sich der Hühnerhalt­ung zu und wollen ihr Ei aus dem eigenen Stall“, vermeldet der Bund Deutscher Rassegeflü­gelzüchter. Wobei Huhn natürlich nicht Huhn ist … siehe Andy Warhol oder auch Coco Chanel, lange Zeit der gefeierte Star in den Boulevardm­edien, sozusagen A-promi-huhn. In letzter Zeit ist es um das silberfarb­ene Bantamhuhn der Schauspiel­erin Tori Spelling etwas leiser geworden, was womöglich nichts Gutes verheißt. In den guten alten Tagen jedenfalls kleidete es Spelling in feine kleine Pullover, behängte es mit Schmuck, passend zum eigenen Outfit, und ließ es in einem Hundekorb neben ihrem Bett schlafen. Der rote Teppich war Coco so vertraut wie anderen grün-braune Wiese.

Von solchem Tamtam hält Rossellini ihre Hühner tunlichst fern. Andy Warhol und Speedy sind das, was man auch beim Menschen als echte Landeier bezeichnet, leben 100 Kilometer von Manhattan in der Isabell’schen Idylle. Vor Jahren zog Rossellini aufs Land, ihrem Sohn zuliebe, der am Sonntag stets weinte, wenn es vom Wochenendh­aus wieder in Richtung Stadt ging. Später dann kaufte sie nahe liegendes Farmland auf, das bebaut werden sollte, errichtete dort vor vier Jahren ihren eigenen kleinen Biohof. Zuerst zogen Bienen und Schweine ein, von letzteren trennte sie sich wieder, eine Freundin lässt ihre Schafe dort grasen, nun also Hühner. Warum? Weil sie pflegeleic­ht sind, sagt Rossellini. Weil sie einfach wollte. „Also bestellte ich welche online.“Eine bunte Mischung, darunter auch einige vom Aussterben bedrohte alte Rassen, sogenannte „Heritage Chicken Breeds“. Sie hatte weibliche Küken geordert, aber, wie sich später herausstel­lte, hatte es dann auch ein kleiner Hahn in einen der angeliefer­ten, durchlöche­rten Kartons geschafft.

Wie sich die kleinen, wenige Tage alten Küken in den ersten fünf Monaten ihres Lebens zu stattliche­n Hühnern mauserten, hat sie nun in ihrem Buch dokumentie­rt. Ein befreundet­er Modefotogr­af, Patrice Hühnern ihre Casanaova, hielt die Entwicklun­g in Bildern fest, Rossellini ergänzte die Aufnahmen durch witzige Strichzeic­hnungen.

Das Fotoshooti­ng fand stets auf einem Tisch mit weißem Tuch statt, Fotograf und Huhn auf Augenhöhe. Normalerwe­ise sehe man ja Hühner immer nur von oben, sagt Rossellini, weshalb ihr erst durch die Aufnahmen aufgefalle­n sei, welch seltsame Bewegungen die Hühner vollführen, wie ausdruckss­tark ihre Köpfe sind. Und erst durchs genaue Beobachten, welch individuel­le Persönlich­keiten da per Karton geliefert worden waren. Charakterh­ühner eben. Der zahme Andy Warhol, der scheue Speedy oder Red, auch Amelia Earhart genannt, „weil sie College studiert, zur Expertin. Sie las, recherchie­rte, beobachtet­e. Und teilt ihre neu gewonnenen Erkenntnis­se nun im Buch mit – wenngleich ebenso reduziert aufs Wesentlich­e wie ihre Zeichnunge­n – und vermittelt mit Witz und einem leicht schwärmeri­schen Unterton. Das Huhn, ein echter Hammer! Fast ein Wundertier, das mehr Farben sehen kann als der Mensch, das ein Auge auf den Wurm am Boden richten kann und das andere zugleich auf den Habicht am Himmel. Das im eigenen Hühnerstal­l bis zu 100 Artgenosse­n erkennt, sich mit ihnen durch zahllose unterschie­dliche Laute verständig­t, im Übrigen zur Selbstbehe­rrschung fähig ist … Was ihr noch gefällt? Das Gefieder. „Ich streichle Hühner gerne. Sie sind viel weicher als jede Katze, jeder Hund“, sagt Rossellini. Und begeistert war sie nach fünf Monaten auch, als die Hühner erwachsen waren und damit plötzlich taten, wofür sie ja auch gefüttert werden: Eier legen. Alle unterschie­dlich groß mit unterschie­dlicher Farbe. „Da haben Patrice und ich aufgehört, sie zu fotografie­ren, jetzt essen wir eben die Eier.“Den Tod von Menschenha­nd müssen im Übrigen weder Andy Warhol noch Speedy oder die anderen Hühner auf der Farm fürchten. Es sei ihr unmöglich Hühner zu verzehren, die sie persönlich kenne, sagt Rossellini. Mit den Tieren von der Nachbarsfa­rm sei das etwas anderes … Zeichnung: Isabella Rossellini, Schirmer/mosel sich furchtlos in Abenteuer stürzt wie die Flugpionie­rin“, also sich auch schon ins Haus aufs Sofa und den Schreibtis­ch wagte. Red zählt zu der Rasse der Welsumer, die ihre Herkunft optisch nicht verleugnen können. Das gewöhnlich­e Bauernhuhn schlägt durch, als sehr hübsch aber gilt die rostbraune Färbung.

Während die Hühner wuchsen, entwickelt­e sich Rossellini, die derzeit Verhaltens­forschung am Hunter

Isabella Rossellini ist aufs Huhn gekommen. Das liegt ohnehin im Trend – ist bei ihr aber besonders unterhalts­am und lehrreich Isabella Rosselli ni: Meine Hühner und ich. Text und Zeichnunge­n von I. Rossellini. Mit Fotografie­n von Patrice Casano va. Schirmer/ Mosel, 112 Sei ten, 24,80 Euro

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Bestellt, beobachtet, fotografie­rt und gezeichnet: Die Hühnerscha­r von Isabella Rossellini.
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Das Buch

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