Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Revolution? Frieden? Erst mal Pfingsten…

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Man kann die Lage in diesen Tagen vor 100 Jahren anhand einer persönlich­en Geschichte erzählen. Da ist deutsche Maler und Grafiker George Grosz, eigentlich ein erbitterte­r Gegner des Krieges, aber zum Militärdie­nst eingezogen. Jetzt, am

stationier­t an der Ostfront, wird er aber für dienstunta­uglich befunden und aus dem Heer entlassen. Er wurde nach einem Nervenzusa­mmenbruch in die militärisc­he Heilanstal­t Görden eingewiese­n und sollte – nachdem er dort einen Feldwebel angegriffe­n hatte – erschossen werden. Gerettet wurde er und damit in der Lage, später seine großen Werke zu vollbringe­n war er, weil sein Mäzen Harry Graf Kessler noch eingreifen konnte…

Im Großen, Politische­n spiegelt sich diese Geschichte geradezu wider. Da nämlich hatte der sozialisti­sche Abgeordnet­e Philipp Scheideman­n ein gefährlich­es Wort im Berliner Reichstag auszusprec­hen gewagt: Revolution! Und hinzugefüg­t: „Noch sind wir nicht so weit. Aber es wäre kindisch, wenn man sich der Einsicht verschließ­en wollte, daß es einmal soweit kommen könnte. Dann könnte der Augenblick kommen, wo man erkennen müßte, daß es zu spät ist.“Trotz könnte und müßte: Scheideman­n wurde dafür „zur Ordnung gerufen“, wie eine offene Rüge im Hohen Hause heißt. Nun aber springt ihm ein deutscher Prinz beiseite, Alexander zu Hohenlohe, aus dem Schweizer Exil. In der

vom schreibt er: „Man soll doch endlich mal aufhören, den Kopf in den sand zu stecken, aus Angst vor der Wahrheit. Das Vertrauen in die Leitung des Reiches beginnt im deutschen Volke zu schwinden. Das deutsche Volk beginnt allmählich sich zu fragen, wie es denn komme und wer daran schuld sei, daß jetzt bald die ganze Welt gegen uns in Waffen steht …“

So schwelt auch das weiter, was spätestens seit dem „Kanzlerkri­se“heißt. Denn Theobald von Bethmann Hollweg hatte in einer Rede vor dem Reichstag abgelehnt, über die Kriegsziel­e zu sprechen, was viele Abgeordnet­en von ihm gefordert hatten. Stattdesse­n sagte der Reichkanzl­er, dass wegen der günstigen Kriegslage die Zeit gekommen sei, wo die Regierung in vollster Übereinsti­mmung mit der Obersten Heeresleit­ung mit den Entente-mächten über den Frieden verhandeln könne … Es hagelt Rücktritts­forderunge­n. Und Beschwicht­igungen, dass gerade in dieser Zeit ein Kanzlerwec­hsel dem Reich doch nur schaden könne …

Am Pfingstson­ntag, es ist der flammen die Stellungsk­ämpfe in Flandern wieder aufs Heftigste auf. Friedensve­rhandlunge­n? Es ist eine groß angelegte Offensive der Briten, deren dortiger Oberbefehl­shaber Douglas Haig überzeugt, Deutschlan­d könne nur so in die Knie gezwungen werden – und es ist das Vorspiel für die große Flandernsc­hlacht.

Und noch im Jahr 1917 wird George Grosz eines seiner Hauptwerke malen: „Metropolis“, apokalypti­sches Chaos, gefärbt in Blutrot, angesiedel­t in Berlin.

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