Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Zu viele ernähren sich schlecht

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DVON CHRISTINA HELLER ie Erkenntnis, dass zu viel Salz, Zucker und Fett ungesund sind, ist nicht neu. Doch obwohl Ernährungs­wissenscha­ftler seit Jahren erzählen, wie ausgewogen­e Ernährung funktionie­rt – indem man viel Obst und Gemüse, etwas Fisch und wenig Fleisch isst –, scheinen es viele immer noch nicht zu wissen. Der Grund: Schnelles Essen ist praktisch. Und die Vorträge der Ernährungs­experten erreichen meist nur eine höhere Bildungssc­hicht oder Menschen, die sich sowieso schon bewusst ernähren. An ärmeren und bildungsfe­rneren Schichten gehen die Informatio­nen vorbei, sagen Experten. Doch gerade sie sind häufig übergewich­tig.

Die Idee der Regierung, ungesunde Lebensmitt­el gesünder zu machen, ist also gar nicht schlecht. Allerdings haben wohl fettige Fertigpizz­en und zuckrige Limonaden Vorrang vor bayerische­m Bauernbrot. Die Verbrauche­rschützer haben mit ihrer Kritik aber recht. Die Politik sollte sich ruhig trauen, konkrete Ziele festzuschr­eiben – selbst wenn sie in ferner Zukunft liegen. Denn freiwillig­e Selbstverp­flichtunge­n werden meist langsam umgesetzt. Und auch das Thema Ernährungs­unterricht an Grundschul­en und in Kindergärt­en muss weiter vorangetri­eben werden. Denn dort erreicht man alle. sellschaft für Ernährung am Tag zu sich nehmen. Frauen verzehren aber 8,4 Gramm täglich, Männer 10 Gramm. In Brot und Semmeln sind etwa zwei Prozent Salz enthalten, heißt es in dem Papier des Ernährungs­ministeriu­ms. Aus anderen Eu-ländern wisse man, dass sich der Salzgehalt um 20 bis 40 Prozent senken lasse, ohne dass die Backwaren schlechter schmecken. Alleine dadurch würden die Deutschen durchschni­ttlich weniger Salz essen.

Allerdings ist damit auch ein wichtiger Punkt angesproch­en. Die Produkte sollen den Verbrauche­rn nach der Änderung der Rezeptur noch schmecken. Dazu kommt, dass Zucker, Salz und Fett oft nicht nur wegen des Geschmacks in Lebensmitt­eln enthalten sind. Zucker und Salz konservier­en etwa. Fett sorgt für eine bestimmte Textur eines Lebensmitt­els. Sie wegzulasse­n ist also nicht so einfach. Deshalb hat das Ernährungs­ministeriu­m auch Fördermitt­el zur Forschung bereitgest­ellt. Die Forscher sollen herausfind­en, durch welche Ersatzstof­fe oder technische­n Möglichkei­ten die weggelasse­nen Stoffe aufgefange­n werden können. Eine Möglichkei­t dafür wäre, etwa den Zuckergeha­lt von Limo oder den Salzgehalt von Brot nach und nach zu senken. So gewöhnt sich der Verbrauche­r daran.

Über all diese Maßnahmen hofft das Ministeriu­m, auch die Bevölkerun­gsgruppen zu erreichen, die von Aufklärung zum Thema nicht erreicht werden. Die Lebensmitt­elindustri­e und der Handel sollen dann freiwillig bei der Umgestaltu­ng ihrer Rezepturen mitmachen. Sollte das nicht passieren, müsse man über „administra­tive Konsequenz­en“nachdenken, steht in dem Papier.

Sophie Herr vom Bundesverb­and der Verbrauche­rschutzzen­tralen kann das nicht gutheißen. Die Verbrauche­rschützer würden sich wünschen, dass feste Ziele und Zeiträume gelten, an die sich auch alle Unternehme­n halten müssten, sagt Herr. Nur so könne man sicherstel­len, dass die Unternehme­n sich auch wirklich bewegen. „Uns ist natürlich bewusst, dass das ein langfristi­ger Prozess ist, auch weil dahinter eine aufwendige Technologi­e steckt“, sagt Herr. Aber insgesamt ist ihr das Papier zu weich formuliert.

Ulrike Birmoser, Ernährungs­beraterin beim Verbrauche­rservice Bayern in Augsburg, hält den Vorschlag des Bundesmini­steriums für eine gute Idee: „Wir merken, dass wir mit Aufklärung­sarbeit immer nur die erreichen, die sich schon für das Thema Ernährung interessie­ren“, sagt sie. Und gerade Limos oder Energydrin­ks seien bei Jugendlich­en sehr beliebt. Sie gesünder zu machen, würde nach Ansicht der Expertin viel bringen.

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