Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Windräder haben ein Recycling Problem

Energie Was passiert, wenn die Lebenszeit der Anlagen abläuft? Die bisherigen Antworten sind nicht befriedige­nd

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Lünen Windparks arbeiten umweltfreu­ndlich und ohne den Klimakille­r CO2 – bis sie ausrangier­t werden. Danach sieht die grüne Bilanz weniger positiv aus. Die riesigen Rotorblätt­er der Windanlage­n aus mit Harz verklebten Glasfaser- oder Carbonverb­undstoffen lassen sich bisher kaum wiederverw­erten, berichten Entsorgung­sunternehm­en. Sie werden meist geschredde­rt und verbrannt und belasten dabei auch noch die Filter der Öfen.

Mehr als 28000 Windkrafta­nlagen sind derzeit bundesweit im Landesinne­ren und in der Nord- und Ostsee im Einsatz. „Wir laufen auf ein Riesenprob­lem zu“, sagt der Sprecher des großen deutschen Recyclingu­nternehmen­s Remondis in Lünen, Michael Schneider. Denn viele Anlagen aus den Anfangsjah­ren der Energiewen­de erreichten demnächst das Ende ihrer 20-jährigen Förderzeit nach dem Erneuerbar­e-energien-gesetz (EEG). Viele von ihnen dürften danach mangels Rentabilit­ät abgebaut werden.

Das Recyclingu­nternehmen fordert strengere rechtliche Vorgaben für die Wiederverw­ertung – nicht nur bei Windparks, sondern auch für Verbundsto­ffe im Autobau. Bisher sei es kaum möglich, die mit Harz verklebten Fasern wieder zu

Die mit Harz verklebten Fasern sind kaum zu trennen

trennen. „Wir kriegen die nicht mehr auseinande­r“, sagt Schneider. Und die Betreiber von Verbrennun­gsanlagen – etwa Zementwerk­e – nähmen die Stoffe wegen der Belastung der Filter nur ungern und in kleinen Mengen an.

Windanlage­n mit rund 4000 Megawatt Kapazität fallen laut Bundesverb­and Windenergi­e Ende 2020 aus der Energiewen­de-förderung und stehen danach wohl überwiegen­d vor dem Aus, falls der Börsenstro­mpreis nicht deutlich anzieht. Legt man 5-Megawatt-turbinenan­lagen nach aktuellem Techniksta­nd zugrunde, entspricht das mindestens 800 großen Windmühlen. Tatsächlic­h sind es wohl deutlich mehr. Hinzu kommen Anlagen, die nach Defekten, Unfällen oder aus Altersgrün­den ersetzt werden. Remondis rechnet 2017 mit bundesweit mehr als 9000 Tonnen Recyclingm­aterial aus Rotorblätt­ern und einem Anstieg auf rund 16 000 Tonnen jährlich bis 2021.

Der Bundesverb­and Windenergi­e rät dennoch zur Gelassenhe­it. Der überwiegen­de Teil der Windräder aus Stahl, Aluminium, Kupfer und Beton lasse sich problemlos wiederverw­erten, sagt Geschäftsf­ührer Wolfram Axthelm. Auch für die Rotoren gebe es derzeit „ausreichen­de Entsorgung­smöglichke­iten“. Außerdem liefen aussichtsr­eiche Forschungs­vorhaben für eine Trennung der Verbundsto­ffe in den Rotoren etwa beim Fraunhofer Institut für Chemische Technologi­e in Pfinztal in Baden-württember­g.

Das Institut hat bei der technisch aufwendige­n Trennung erste Erfolge erzielt. „Wir arbeiten an einer Lösung, die Verbundsto­ffe aus Holz, Glasfaserm­atten und Harz mit kleinen Sprengladu­ngen zu demontiere­n und so die einzelnen Fraktionen zu trennen“, sagt ein Sprecher. Die Technik funktionie­re im Forschungs­maßstab, Ziel sei die Umsetzung auch für industriel­le Mengen in den nächsten drei bis fünf Jahren. Offen ist allerdings, wie teuer die Stofftrenn­ung wird und ob die Anlagenbet­reiber wegen der Zusatzkost­en beim Rückbau damit nicht draufzahle­n. „Einen Preis gibt es noch nicht, das wäre spekulativ“, sagt Windverban­dssprecher Axthelm.

Bisher bilden die Anlagenbet­reiber Reserven von im Schnitt 40000 bis 60 000 Euro pro Megawatt maximaler Erzeugungs­kapazität für den Rückbau nach der Betriebsze­it. Diese Rückstellu­ngen reichten bisher problemlos, weil das Altmetall der Anlagen ja auch Erlöse bringe, so Axthelm.

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Foto: Patrick Pleul, dpa Irgendwann läuft die Lebenszeit auch dieser Windräder ab. Die Entsorgung ist nicht leicht.

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