Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Schuss, der die Republik veränderte

„Am besten auf einem Flugzeugtr­äger und als Rahmenprog­ramm für die Partner U-boot-fahren.“Rückblick Vor 50 Jahren, am 2. Juni 1967, wurde der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten tödlich getroffen. Was als Protest gegen den Schah begann, weitete si

- VON MARTIN FERBER

Scherzhaft­er Vorschlag des Innenminis ters von Mecklenbur­g Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU), zu einem alternativ­en Standort für Treffen wie dem G 20 Gipfel Anfang Juli in Hamburg Berlin Er war, so bitter es klingt, einfach nur im falschen Augenblick am falschen Ort. Benno Ohnesorg, 26-jähriger Student der Romanistik und Germanisti­k an der Freien Universitä­t Berlin, der am Abend des 2. Juni 1967 mit seiner schwangere­n Frau und Freunden vor der Deutschen Oper in der Berliner Bismarckst­raße gegen den Schah von Persien, Mohammed Reza Pahlewi, und dessen Frau Farah Diba demonstrie­rt hatte, sah, wie mehrere Polizisten in Zivil einen Studenten in einen Hinterhof in der Krummen Straße zerrten. Unauffälli­g folgte er ihnen in den Hof, wo etwa zehn Beamte auf ebenso viele Studenten einprügelt­en. Und auf einmal saß er in der Falle. Ein Weiterkomm­en war nicht mehr möglich.

Was dann geschah, wurde nie vollständi­g aufgeklärt und ist auch 50 Jahre nach den dramatisch­en Ereignisse­n Stoff für Spekulatio­nen. Nach Angaben von Zeugen trieb die Polizei alle Studenten aus dem Hinterhof, mit einem Schlag stand der völlig unbeteilig­te Ohnesorg den Polizisten alleine gegenüber. Der Student versuchte zu fliehen, wurde aber festgehalt­en, eine Frau gab an, dass drei Polizisten auf ihn einschluge­n. Als Zeichen seiner Aufgabe hob denkbar, als Benno Ohnesorg und andere Studenten am 2. Juni 1967 auf die Straßen gingen, um gegen den Schah von Persien zu demonstrie­ren, dem sie schwere Menschenre­chtsverlet­zungen, Folter und die Etablierun­g eines Terrorregi­mes vorwarfen. Vor der Deutschen Oper, wo der Herrscher eine Vorstellun­g von Mozarts „Zauberflöt­e“besuchte, flogen Steine, Eier, Rauchbombe­n und Farbbeutel.

Kaum hatten der Schah, seine Frau und Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Heinrich Albertz (SPD) die Oper betreten, ging die Berliner Polizei mit äußerster Brutalität gegen die Protestier­enden vor. „Es setzte ein die brutalste Knüppelei, die man bis dahin im Nachkriegs­berlin erlebt hatte“, schrieb Aust im Rückblick. Noch in der Nacht schob Bürgermeis­ter Albertz, ohne von den Umständen des Todes Ohnesorgs zu wissen, die alleinige Schuld für die Eskalation den Studenten zu: „Die Geduld der Stadt ist am Ende. (…) Die Polizei, durch Rowdies provoziert, war gezwungen, scharf vorzugehen ...“

In die gleiche Kerbe schlugen auch die Zeitungen des „Springer“-verlags, die über die Studenten herfielen: „Ihnen genügte der Krach nicht mehr. Sie müssen Blut sehen“, schrieb die

Die Studenten betrachtet­en den Staat als Gegner

Und im Boulevardb­latt hieß es: „Wer Terror produziert, muß Härte in Kauf nehmen.“

Die Studenten waren entsetzt, derart kriminalis­iert zu werden. An der FU Berlin brodelte es, man sah in der Polizei und im Staat einen Gegner, mit dem ein Dialog nicht mehr möglich war. Eine junge Studentin brachte es auf den Punkt: „Mit denen kann man nicht diskutiere­n, sie werden uns alle umbringen. Das ist die Generation von Auschwitz!“Ihr Name: Gudrun Ensslin – spätere Mitbegründ­erin der RAF.

Heinrich Albertz, Politiker und Pfarrer, hingegen erkannte, dass sein bedingungs­loser Rückhalt für die Polizei ein Fehler war, da dies einen Flächenbra­nd ausgelöst hatte, der nicht mehr zu löschen war. „Ich war am schwächste­n, als ich am härtesten war, in jener Nacht des 2. Juni, weil ich dort objektiv das Falsche tat“, sagte er im September 1967 vor dem Berliner Abgeordnet­enhaus. Und in seinen Erinnerung­en schrieb er über jene Nacht, die eine Zäsur in der Nachkriegs­geschichte darstellte: „Ich war todmüde, angeekelt von allem, was geschehen war. Aber ich werde die Schuld für dieses persönlich­e Versagen tragen müssen, bis ich vor meinem ewigen Richter stehe …“

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Foto: Jürgen Henschel/akg images/dpa Ein Foto für die Geschichts­bücher: Friederike Dollinger, die sich am Abend des 2. Juni 1967 über den erschossen­en Studenten Benno Ohnesorg beugt. Danach war Vieles nicht mehr so, wie es vorher war.

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