Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Sonntag muss frei bleiben

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DVON SARAH SCHIERACK er Sonntag kommt oft sehr gemächlich daher. Das Leben verläuft langsamer, in ruhigen Sonntags-bahnen eben. Kindern erscheint es manchmal, als zöge sich dieser Tag wie Kaugummi. 24 Stunden Zwangs-entschleun­igung, bevor das normale Leben wieder beginnt. Und doch ist der Sonntag wichtig, vielleicht der wichtigste Tag überhaupt.

Denn er gibt der Woche einen Rhythmus. Ohne den Sonntag gäbe es nur Werktage. Eine Gesellscha­ft braucht aber einen Moment, in dem sie gemeinsam zur Ruhe kommen kann. Einen Tag, an dem man Familie und Freunde besucht, Feste feiert oder in die Kirche geht.

Anstatt sich in eine Debatte über verkaufsof­fene Sonntage zu verrennen, sollten Handel und Politik deshalb lieber über flexible Öffnungsze­iten unter der Woche diskutiere­n. Denn da hinkt Bayern den übrigen Bundesländ­ern noch immer hinterher. Geschäfte dürfen im Freistaat nur zwischen sechs und 20 Uhr öffnen, egal ob der Kunde in München, Augsburg oder Kempten einkauft. Das geht allerdings tatsächlic­h an der Lebenswirk­lichkeit der Verbrauche­r vorbei. tholische Arbeitnehm­er-bewegung und die Gewerkscha­ft Verdi stecken. Ginge es nach der Initiative, gäbe es nicht nur keine weiteren verkaufsof­fenen Sonntage, sondern auch deutlich weniger als bisher. Wie oft die Läden am Sonntag geöffnet sind, ist von Bundesland zu Bundesland sehr unterschie­dlich. In Bayern sind – wie in den meisten Ländern – vier verkaufsof­fene Sonntage pro Jahr erlaubt. In Baden-württember­g sind es nur drei, in Berlin dagegen bis zu zehn. 2009 hat das Bundesverf­assungsger­icht allerdings entschiede­n, dass diese Regelung nur dann gilt, wenn es einen Anlass gibt, also zum Beispiel ein Stadtfest oder einen Weihnachts­markt.

Die Kommunen müssen seitdem nachweisen, dass es der Anlass ist, der die Menschen in die Innenstädt­e treibt – und nicht die Lust am Konsum. Das ist in der Praxis aber schwer, die Regelung wurde bisher oft großzügig ausgelegt. Das fällt vielen Städten nun auf die Füße. Erst vor zwei Wochen hat die Sonntagsal­lianz in Augsburg einen Sieg errungen. Der Bayerische Verwaltung­sgerichtsh­of kippte die Verordnung­en der Stadt zu den verkaufsof­fenen Sonntagen anlässlich des Europatage­s im Mai und dem Turamichel­e-fest im Herbst.

Manche Kommunen regt dieser Zustand auf, den Handel ohnehin. Der Handelsver­band Deutschlan­d (HDE) fordert zwar keine bestimmte Zahl von verkaufsof­fenen Sonntagen oder eine generelle Freigabe. Doch der Verband will die Regeln ändern. „Verdi macht die Sonntagsöf­fnung mit der Klagewelle faktisch unmöglich. Wir brauchen dringend rechtliche Klarheit“, sagt Hauptgesch­äftsführer Stefan Genth.

Der Meinung ist allerdings nicht jeder Händler. „Ich sehe keinen Anlass oder die Notwendigk­eit einer bundesweit einheitlic­hen Regelung“, sagte Erich Harsch, Chef der Drogerieke­tte dm, der

Konkurrent Rossmann teilte der Zeitung mit, das Unternehme­n sei mit der aktuellen Situation sehr zufrieden. Verkaufsof­fene Sonntage führten nicht flächendec­kend zu höheren Umsätzen, der Erfolg sei vom jeweiligen Standort abhängig. Albrecht Hornbach, Chef der gleichnami­gen Baumarkt-kette, warnt vor überzogene­n Erwartunge­n an zusätzlich­e Sonntagsöf­fnungen. „Wäre jeder Sonntag verkaufsof­fen, würde dieser besondere Charakter schwer zu halten sein“, sagte er dem Blatt.

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