Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Der „Scholzomat“ist längst Vergangenheit
„Mein erster Eindruck ist, dass das Angebot des Vereinigten Königreichs hinter unseren Erwartungen zurückbleibt.“SPD Steuerkonzept, Rentenkonzept, Parteitag: Ohne Olaf Scholz läuft bei den Sozialdemokraten nichts. Parteichef und Kanzlerkandidat Martin Sch
EU Ratspräsident Donald Tusk zum von Großbritannien angebotenen Bleibe recht für rund 3,2 Millionen EU Bürger Berlin Große Worte sind seine Sache nicht, das Pathos liegt ihm fern. Olaf Scholz ist als Person so wie die Stadt, an deren Spitze er seit mittlerweile sechs Jahren steht – hanseatisch unaufgeregt und nüchtern. Leise, aber durchaus durchsetzungsstark.
Doch als Olaf Scholz am letzten Montag an der Seite von SPD-CHEF und Kanzlerkandidat Martin Schulz das Steuerkonzept seiner Partei vorstellte, das er zusammen mit dem hessischen Landesvorsitzenden Thorsten Schäfer-gümbel vom linken Flügel erarbeitet hatte, gab Scholz für einen Moment seine gepflegte Zurückhaltung auf: Wer glaube, er könne noch bis zum Jahre 2030 den Solidaritätszuschlag erheben, täusche sich und solle mal die Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Kenntnis nehmen. „Wer sich um das Thema Soli herumdrückt, kann kein seriöses Steuerkonzept vorlegen.“
Jeder im Willy-brandt-haus wusste, wen der SPD-VIZE und Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg damit meinte – Finanzminister Wolfgang Schäuble von der CDU. Mit wenigen Sätzen zerpflückte er das Konzept des starken Mannes der Regierung Merkel, noch bis 2030 den Soli erheben zu wollen.
Auch wenn sich Olaf Scholz bei der Präsentation des Steuerkonzepts weitgehend zurückhielt und seinem Parteichef und Kanzlerkandidaten Martin Schulz den Vortritt ließ, war doch unübersehbar, welch zentrale Rolle der Hanseat mittlerweile in der SPD spielt. Ohne den gebürtigen Osnabrücker, der vor wenigen Tagen seinen 59. Geburtstag feierte, und erst recht gegen ihn geht bei den Sozialdemokraten nichts. Die Partei, in die er schon als Gymnasiast im Jahre 1975 eintrat, kennt er wie seine Westentasche, auch seine Frau Britta Ernst engagiert sich in der SPD und gehörte der im Mai abgewählten Koalition in Schleswigholstein als Bildungsministerin an.
Bei der Ausarbeitung des Steuer- konzepts hatte er als Vertreter des rechten Flügels den Spagat zu bewältigen, einerseits den Ausgabeund Umverteilungswünschen des traditionell starken linken Flügels entgegenzukommen, die mit dem Stichwort „Gerechtigkeit“verbunden sind, sie aber andererseits so zu beschränken, dass das Gesamtkonzept finanzierbar und seriös bleibt.
Zudem war er auch schon in die Erstellung des Rentenkonzepts eingebunden, mit Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles versteht er sich bestens. Seine Handschrift trägt auch der Kompromiss zur Neuregelung der komplexen Bundländer-finanzbeziehungen und des Länderfinanzausgleichs. In den langwierigen Verhandlungen mit Finanzminister Wolfgang Schäuble erwies sich der Koordinator der Spd-geführten Bundesländer im Bundesrat nicht nur als fachlich ebenbürtig, sondern auch als mindestens genauso stur wie der Badener, was den Interessen der Länder nicht geschadet hat.
Nicht zuletzt wird er auch den Spd-parteitag am Sonntag in der Dortmunder Westfalenhalle maßgeblich prägen, ohne dass er sich in den Vordergrund drängt. Die große Bühne gehört dem Kanzlerkandidaten Martin Schulz, der nach einem Grußwort von Altkanzler Gerhard Schröder den Delegierten sein Wahlprogramm vorstellen wird. Doch als Vorsitzender der Antragskommission ist Scholz hinter den Kulissen maßgeblich für einen reibungslosen Ablauf der sechsstündigen Veranstaltung zuständig. Auch das ist eine Gratwanderung. Zum einen muss er der diskutierfreudigen Basis gerecht werden, die bei der Formulierung des Programms mitreden will, zum anderen aber hat er dafür zu sorgen, dass die Korrekturen im Rahmen des Vertretbaren bleiben und nicht als Niederlage des Kanzlerkandidaten ausgelegt werden können. So bleibt die streitbare Juso-chefin Johanna Uekermann bei ihrer Forderung nach der Wiedereinführung der Vermögenssteuer im Falle eines Wahlsieges.
Bei der SPD zeigt man sich zuversichtlich, dass Scholz auch diesen Konflikt entschärft. „Der Olaf wird’s schon machen“, heißt es über den Juristen, der vor seinem Einstieg in die Politik als Fachanwalt
Fachlich ebenbürtig und ebenso stur wie Schäuble
für Arbeitsrecht arbeitete. Die Zeiten jedenfalls, in denen er als „Scholzomat“verspottet wurde, der als Spd-generalsekretär zwischen 2002 und 2004 ebenso steif wie floskelhaft die Agenda-politik der rotgrünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder verteidigte und auf dem Parteitag 2003 mit einer Zustimmung von 52,3 Prozent regelrecht abgestraft wurde, sind lange vorbei.
SPD-CHEF Martin Schulz vertraut dem Hamburger Genossen, der Anfang Juli als lokaler Gastgeber des G20-gipfels seinen Auftritt auch auf der internationalen Bühne haben wird. Scholz seinerseits steht loyal an der Seite des Kanzlerkandidaten aus Würselen – und wird längst für höhere Aufgaben gehandelt. Sollte es nach der Bundestagswahl zu einer Neuauflage der Großen Koalition in Berlin kommen, könnte er vielleicht Bundesfinanzminister werden. Und sollte die SPD nach einer schweren Niederlage gar einen neuen Vorsitzenden brauchen, führt wohl kein Weg mehr an ihm vorbei. Dann wäre Olaf Scholz endgültig ganz oben.