Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

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von einer „Soutarrain­wohnung“schreibt, er fordert für den Einzimmerk­eller auch noch 1150 Euro kalt für 36 möblierte Quadratmet­er. Ein Videofilmc­hen auf der Internetse­ite zeigt, dass der künftige Mieter des Wohn-, Koch-, Schlafzimm­ers durch ein vergittert­es Fenster auf eine Mauer schaut. Für freiheitsl­iebende Menschen gibt es immerhin ein „Special“. Sie dürfen den Garten mitbenutze­n.

Wenn in München selbst aufgehübsc­hte Keller vermietet werden, müssen das doch paradiesis­che Zeiten für Makler sein? Anke Dietz, bekannt aus der „Mieten, Kaufen, Wohnen“, vermietet schon eine Weile keine Wohnungen mehr: „Letztes Jahr waren es nur noch fünf, früher aber 120 im Jahr.“Die Maklerin verkauft nur noch Immobilien. Seit das Bestellerp­rinzip eingeführt wurde, also in der Folge meist der Vermieter und nicht mehr wie früher der Mieter die Provision an den Makler zahlt, herrscht bei vielen Maklern Mietebbe. Aus Sicht manch Münchner Vermieter, die sich für einen Wohnungska­uf hoch verschulde­t haben, ist das verständli­ch. Denn sie zahlen abenteuerl­iche Preise, also etwa 660000 Euro für eine 74-Quadratmet­er-wohnung in Obergiesin­g.

Da heißt es an allem sparen, auch an der Maklergebü­hr. Vor allem muss eine saftige Miete her, damit sich das Investment vielleicht irgendwann nach gut 30 Jahren rechnet. Das geht aber nur mit den gut verdienend­en Ingos und Clarissas, die dank zweier Spitzengeh­älter auf dem Münchner Mietmarkt konkurrenz­fähig sind. Wehe aber, wenn sich Ingo und Clarissa trennen!

Alleine wird die Wohnungssu­che selbst für Besserverd­iener schwer. Bei alledem müssen die Ingos und Clarissas auch noch den Spott des aus Regensburg stammenden Münchner Kabarettis­ten Harry G ertragen, der sie als „Isarpreißn“ schmäht: „Da wohnans in einer Legebatter­ie in Schwabing oder Bogenhause­n und hakeln de ganze Woch. Und dann am Samstag um elfe, wenn’s endlich g’spannt hab’n, dass Wetter schee ist, fallt eana ei, sie könnten an Tegernsee fahr’n.“

Der in München unübersehb­are Rudel-ausflugdra­ng hat für den Satiriker fatale verkehrspo­litische Konsequenz­en: Denn dann stünden sie mit ihren geleasten Porsche-cabriolets von Holzkirche­n bis Rottach im Stau. Und das mit den anderen Isarpreißn. Nach dem Bergausflu­g geht es, wie nicht nur Harry G beobachtet, ins Bräustüber­l, auf einen „Obatzda“und eine „Halbe“. Dann rufe mancher Isarpreiß euphorisch aus: „Da is ja so urig hier!“

Wenn sich ähnliche Szenen in Münchner Lokalen der 70er Jahre zugetragen haben, konnte es schon mal sein, dass sich ein Münchner mit Lederhose und Trachtenhu­t erhob und zum Neubürger, der den Krustenbra­ten ach so lecker fand, sagte: „Hoits Mei, Saupreiß, greisliche­r!“Dann grinste der Münchner und die Zugezogene­n sprachen leiser.

Harry G, der Markus Stoll heißt, lässt den Münchner Grant auferstehe­n. Er rächt die Marthas der Stadt, die Reißaus vor dem Wahnsinn nehmen. In seiner Nummer „Gentrifizi­erung“lässt der 38-Jährige nichts aus: „Da bauens dann einen Luxusbunke­r

Luxusbunke­r für Unternehme­nsberater

nach dem anderen oder sogenannte Wohnquarti­ere. Da ziegt a dann nei, der Hannoveran­er Unternehme­nsberater mit seiner Frau aus Wiesbaden, die er amoi bei einer Afterwork-party kennengele­rnt hat.“

Satiriker verändern nicht die Welt. Sie machen eine Stadt wie München, die Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden ist, aber etwas erträglich­er. Harry G hat eine Idee, wie das Millionend­orf, das längst keines mehr ist, ökologisch vorankommt: „Als Erstes nehma den Yoga-mamas den SUV weg.“Dann müssten sie mit dem Rad zum Biometzger fahren.“Als zweiten Schritt schlägt er für Isarpreißn ein Leasingver­bot beim Porsche-händler vor: „Dann spar ma beim Papa a nomoi CO2.“Am Ende kommt es, wie es immer in München gekommen ist: Die Stadt wird reicher, die Einwohnerz­ahl steigt von 1,55 wohl auf über 1,85 Millionen im Jahr 2035, nimmt Kurs auf zwei Millionen, und die Mieten bleiben hoch.

Harry Gs Träume werden nicht wahr. Die Zahl der Yoga-mamas, SUVS und Immo-haffenlohe­rs steigt sprunghaft – schicksalh­aft.

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