Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wer kauft noch Kochbücher?
Kundin in einem Buch mit Rezepten aus Venedig. Kochbücher haben in den letzten Jahren ihr Gesicht verändert. Sie sind längst keine schlichten Handlungsanleitungen für Pfannkuchen, Rinderbrühe oder Forelle Müllerin Art. Um sich vom oft amateurhaften Rezeptangebot im Internet abzusetzen, setzen die Verlage auf Lifestyle. Und dabei stehen die Gerichte gar nicht zwingend im Vordergrund. Arbeitsschritte für ein perfektes Gelingen haben bei der Gestaltung weitgehend ausgedient. Vielmehr geht es darum, ein Lebensgefühl zu transportieren.
Bestes Beispiel dafür der aktuelle Trend der Wir-sind-immer-draußen-küche, die Camper und Abenteurer gleichermaßen als Zielgruppe ansprechen will. Schicke Holzfällertypen mit Vollbart und Wollmütze auf dem Kopf starren auf vielen Bildern sinnend ins Lagerfeuer oder über den weiten See, an dem ihr Zelt steht, bevor es Seiten später etwa um die Zubereitung von Spaghetti Carbonara über dem offenen Feuer geht. „Draußenküche, das ist zum Beispiel ein Kochbuchtrend, „der von jungen Leuten richtig gut gekauft wird“, sagt Andrea Karl. Auch groß in Mode sei derzeit Japan. Das habe jetzt jeder Verlag in irgendeiner Variation – von Sushi bis Tokioküche – im Programm, hat Andrea Karl festgestellt.
4000 Neuerscheinungen: Alle Verlage haben inzwischen alle Trends im Programm – Cupcakes, Grill-bibeln und vegane Küche sowieso. Und dann ist da noch die große Zahl von Internet-foodautoren, deren Beiträge auch noch schnell zwischen zwei Buchdeckel gepresst werden. Tatsächlich gibt es jede Menge Novitäten, aber immer weniger klassische Kassenschlager – die Bücher des israelisch-englischen Starkochs Yotan Ottolenghi mal ausgenommen.
Seit der vegane Hype seit 2012 regelrechte Boomjahre bei den Kochbuchverlagen ausgelöst hat, drängen sogar Verlage in den Markt, die nie zuvor mit Speis und Trank zu tun hatten. Lonely Planet etwa, der Kult-verlag der Rucksackreisenden, die wochenlang mit einer Dose Ravioli auskommen konnten, mischt seit kurzem auch im Kochbuchmarkt mit und verbindet geschickt das Thema Reisen und Speisen.
„Die Leute sind unterwegs wie nie zuvor, lassen sich von fremden Genüssen faszinieren und wollen diese dann zu Hause nachkochen“, das hat auch Andrea Karl festgestellt. Vor allem Kochbücher, die den Blick auf die Welt weiten, etwas über eine Stadt oder ein Land erzählen, verkaufte sich gut. 15,27 Euro zahlen die deutschen Käufer im Durchschnitt für ein Kochbuch, so eine Zahl des Deutschen Buchhandels.
Die junge Frau hat das Venedigkochbuch mittlerweile zugeklappt und schlendert damit zur Kasse. Ob sie die Rezepte nun nachkoche? „Nein“, sagt sie lächelnd. „Aber ich finde sie inspirierend.“