Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wie alt kann der Mensch werden?
Blick in die Geschichte
wie Bewegungsmangel, Übergewicht, Rauchen und Alkoholmissbrauch in Gruppen mit niedrigem Sozialstatus überproportional häufig vorkämen.
Die weltweit größte Diskrepanz zwischen den Bildungsschichten findet sich laut Studie in Litauen, Estland und Russland. Russische Männer mit dem geringsten Bildungsniveau sterben im Mittel 13 Jahre früher als männliche Akademiker. Selbst in Deutschland können neugeborene Jungen im wohlsituierten bayerischen Starnberg mit rund acht Jahren mehr Lebenszeit rechnen als ihre Geschlechtsgenossen in der ehemaligen Schuhmachermetropole Pirmasens. Umgekehrt gilt damit: Es gibt genügend Potenzial, die Lebenserwartung der mittleren und unteren sozialen Bevölkerungsschichten zu verbessern. „Gesellschaft und Politik müssen aktiv werden, um diese Ungleichheiten zu verringern“, so das Fazit der Studie.
Zugleich verweisen die Autoren auf Folgen einer steigenden Lebenserwartung: Der Preis für zusätzliche Lebenszeit könnten mehr Krankheitsjahre sein. Und die Kosten für ein längeres Leben könnten die Gesundheitssysteme auch der reichen Industriestaaten überfordern. Und letztlich stellt sich die Frage, wie die Menschen die hinzugewonnenen Jahre nutzen: Erfolgsautor Yuval Noah Harari hat in seinem Buch „Homo Deus“darauf hingewiesen, dass ein Leben mit verlängertem Verfallsdatum Auswirkungen auf Familienstrukturen, Arbeitswelt und Gesellschaft haben könnte. Können Ehen bis zum Tod halten, wenn Menschen 150 Jahre alt werden und mit 40 heiraten?, fragt er. Und: „Hätten Menschen schon früher stolze 150 Jahre alt werden können, würde Stalin heute noch in Moskau regieren und stramm auf die 138 zugehen.“ HISTORISCHE STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST