Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Doch keine Klage gegen die Ehe für alle?

Hintergrun­d Seehofer äußert sich zurückhalt­end. Im Bundestag müsste die Hälfte aller Unionsabge­ordneten zustimmen

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Mit dem Ja-wort des Bundestage­s am Freitag schien die Sache besiegelt: Die Ehe für alle, also auch für lesbische und schwule Paare, kommt. Nur ganz so einfach ist die Sache offenbar doch nicht. Die Gegner wollen sich jedenfalls nicht geschlagen geben beziehungs­weise für immer schweigen – wie es bei Hollywood-hochzeiten so schön heißt. Mit einer Klage vor dem Bundesverf­assungsger­icht soll die Gleichstel­lung mit der klassische­n Ehe noch gestoppt werden. Die Frage ist nur: Wer klagt? Viele Konservati­ve setzen auf die Bayerische Staatsregi­erung – doch Ministerpr­äsident Horst Seehofer scheint von dieser Idee nicht sonderlich begeistert zu sein.

Erst einmal müsse der „Sachverhal­t juristisch sorgfältig geprüft werden“, sagte der CSU-CHEF gestern und fügte hinzu: „Das wird eine Zeit dauern. Deswegen kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen, ob der Freistaat Bayern klagt.“Heißt: Seehofer will sich nicht mitten im Wahljahr ein Verfahren ans Bein binden, das möglicherw­eise eh keine großen Aussichten auf Erfolg hat. Denn unter Juristen ist die Frage, ob der Beschluss zur Ehe für alle mit dem Grundgeset­z vereinbar ist, umstritten.

Gut möglich, dass Seehofer die Sache, bei allem Grummeln im eigenen Lager, vorerst auf sich beruhen lässt – zumal er ohnehin weder die Mehrheit der Bevölkerun­g, noch die der Unions-anhänger auf seiner Seite hätte. Theoretisc­h könnte auch die Bundesregi­erung klagen, das gilt jedoch als ausgeschlo­ssen. Kanzlerin Angela Merkel dürfte keinerlei Interesse daran haben, die Debatte, die sie selbst losgetrete­n hatte, am Laufen zu halten. Sie stünde dann nicht nur ohne den Koalitions­partner SPD da, sondern auch als schlechte Verliereri­n, nachdem sie das Thema zuvor zur Gewissense­ntscheidun­g der Abgeordnet­en erklärt hatte.

Da Einzelpers­onen nicht klagen können und außer der bayerische­n bislang keine andere Landesregi­erung in Sicht ist, die gegen die Ehe für alle mobil machen könnte, bliebe nur noch der Bundestag selbst. Mindestens ein Viertel des Parlaments müsste sich zusammentu­n, um prüfen zu lassen, ob die Entscheidu­ng vom Freitag rechtmäßig war. Das wären 158 Abgeordnet­e. Da SPD, Grüne und Linke geschlosse­n Ja gesagt hatten, käme es allein auf die 309 Parlamenta­rier von CDU und CSU an. Mehr als die Hälfte von ihnen müsste sich einer Klage anschließe­n. Die 75 Abgeordnet­en, die für die Gleichstel­lung von homosexuel­len Paaren gestimmt hatten, werden das allerdings kaum tun. Und auch die übrigen dürften es sich gut überlegen, ob sie kurz vor der Bundestags­wahl gegen eine Entscheidu­ng vorgehen, hinter der nicht nur die Mehrheit des Parlaments steht, sondern auch die Mehrheit der Deutschen. Anderersei­ts gibt es mit Fraktionsc­hef Volker Kauder oder Csu-landesgrup­penchefin Gerda Hasselfeld­t prominente Gegner der Ehe für alle, die vielleicht den einen oder anderen Kollegen überzeugen könnten.

Unabhängig davon prüft auch die AFD rechtliche Schritte. Da sie bislang nicht im Bundestag vertreten ist, sind ihre Erfolgsaus­sichten aber gering. Darüber hinaus besteht dann nur noch die Möglichkei­t, dass sich ein Gericht, das sich bereits mit Praxisfrag­en der Ehe beschäftig­t, an das Bundesverf­assungsger­icht wendet.

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Foto: dpa Zu früh gefreut? Anhänger der Ehe alle am Freitag in Berlin. für

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