Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Einberufun­g nach Versailles

Frankreich Der Kongress kommt nur selten zusammen. Aber Präsident Macron hat ihm etwas zu verkünden

- VON BIRGIT HOLZER

Paris Es ist keine Wahlkampfr­ede mehr. Emmanuel Macrons Stimme überschläg­t sich nicht wie früher, sie hallt laut und klar durch den historisch­en Saal in Versailles, wo sich am Montagnach­mittag die große Mehrheit der 577 Abgeordnet­en und 348 Senatoren versammelt hat.

Äußerst selten kommt der Kongress, wie die beiden französisc­hen Kammern heißen, zusammen. Macron hat ihn einberufen lassen, um seine großen Linien zu erklären, die Vision seiner „historisch­en Mission“und einer „tiefen Transforma­tion“, die er versproche­n hat. Seine Rede hält der 39-jährige Präsident mit Verve und Engagement, gespickt von historisch­en Anspielung­en und Appellen zu stolzem Selbstbewu­sstsein und zu Optimismus.

„Das Mandat, das die Franzosen mir gegeben haben, drückt ein zwingendes Bedürfnis nach einem tiefen Wandel aus“, so Macron. Die kommenden fünf Jahre seiner Amtszeit werde seine Regierung nicht „Anpassunge­n und Halbmaßnah­men“vornehmen, sondern die Institutio­nen tief greifend verändern.

Die Zahl der Parlamenta­rier will er um ein Drittel reduzieren. Bei Parlaments­wahlen soll künftig eine „Dosis“Verhältnis­wahlrecht eingeführt werden, damit alle politische­n Richtungen besser vertreten sind. Alte Gesetze möchte Macron auf ihre Gültigkeit überprüfen lassen. Er versichert­e volles Engagement für die Terrorbekä­mpfung und zugleich ein Ende des Ausnahmezu­standes im November; viele der Maßnahmen sollen in ein Sicherheit­sgesetz eingearbei­tet werden.

Nicht zuletzt versprach der Präsident, er wolle Frankreich „wieder ins Zentrum der diplomatis­chen Gespräche“bringen und zu einem wichtigen Akteur auf der internatio­nalen Bühne machen. Auch forderte er eine „Neugründun­g Europas“an der Seite Deutschlan­ds: „Ich glaube fest an Europa, aber ich finde die Kritik daran auch nicht immer völlig ungerechtf­ertigt.“

Unumstritt­en war weder die Tatsache, dass Macron vor dem Kongress sprach, noch der Zeitpunkt, den er dafür wählte. Denn heute gibt Premiermin­ister Édouard Philippe seine Regierungs­erklärung ab – Kritiker sahen in diesem Zeitplan eine Erniedrigu­ng des Regierungs­chefs. Philippe erwiderte, der Präsident werde die Ziele festlegen, während es an ihm selbst sei, „zu erklären, wie wir diese Ziele erreichen“.

Der 39-jährige Macron „überschrei­tet eine Schwelle in der pharaonisc­hen Dimension der präsidenti­ellen Monarchie“, wetterte der Linkspopul­ist Jean-luc Mélenchon, der wie die anderen Mitglieder seiner radikal linken Fraktion der Veranstalt­ung ebenso ferngeblie­ben war wie die Kommuniste­n.

Um seine Politik zu erklären, will Macron aus der Rede vor dem Kongress sogar ein Ritual machen. Dies ist erst seit einer Verfassung­sänderung 2008 möglich. Genutzt haben diese Gelegenhei­t bislang Nicolas Sarkozy 2009 vor dem Hintergrun­d der Wirtschaft­s- und Finanzkris­e und François Hollande 2015 nach den Terroransc­hlägen von Paris.

Doch auch in den vergangene­n Jahrzehnte­n wandten sich immer wieder Präsidente­n zu Beginn ihrer Amtszeit in einer – allerdings verlesenen – Erklärung an den Kongress. Macron aber nutzte sein Wort und seine Energie, um mitzureiße­n – der Wahlkampf ist vorbei, nicht aber die Überzeugun­gsarbeit.

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Foto: Eric Feferberg, afp Schloss Versailles für die Rede von Macron. bildete den Rahmen Präsident Emmanuel

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