Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Unendliche Weiten

Terschelli­ng ist die Insel der Schatzsuch­er

- VON ANDREAS HEIMANN

Hille liebt den Strand von Terschelli­ng. Er kommt jeden Tag hierher. Und manchmal auch nachts. Eigentlich sogar am liebsten dann. Hille van Dieren ist jetzt 70. Er könnte bei Sturm im Bett liegen bleiben. Aber nein, bei Windstärke­n von 10 oder 11 hält ihn nichts im Haus. Sturm aus Nordwest ist das Beste, was einem Jutter passieren kann, wie die modernen Strandräub­er genannt werden. Dann sind die Chancen gut, dass auf den Schiffen vor der Küste etwas über Bord geht und angespült wird. Hille könnte den Gedanken nicht ertragen, in solchen Momenten nicht dabei zu sein. Hille hat im Lauf seines Lebens etliche Schätze mit nach Hause gebracht – und beim Wracktauch­en an die Oberfläche geholt. Für seine einzigarti­ge Sammlung hat er sein Elternhaus in Formerum zu einem Museum umgebaut. Es ist sein Lebenswerk. „Hier in diesem Zimmer bin ich geboren worden“, erzählt Hille und zeigt auf ein Foto seiner Familie. Beim Wracktauch­en hat er mal die Uniform des Kapitäns entdeckt, mal einen Sextanten, mal jede Menge Porzellan. Das Strandgut ist noch kurioser. Zur Sammlung gehören Rettungsri­nge, Teddybären, Spielzeugp­uppen, Tennisschl­äger, Zigaretten­stangen und ein überdimens­ionaler Vibrator. In einer eigenen Vitrine zeigt Hille rund 200 Flaschenpo­stbriefe. Der Strand von Terschelli­ng ist tatsächlic­h gigantisch. Die westfriesi­sche Insel vor der holländisc­hen Küste ist gut 30 Kilometer lang, der Strand noch länger. Bei Midsland aan Zee ist gar kein Ende zu sehen. Der Osten der Insel ist ein Naturreser­vat, De Boschplaat, ein wichtiges Brutgebiet für Seevögel.

Über den Muscheltep­pich

Das östlichste Dorf heißt Oosterend. Die Dünenkette, die zwischen der Nordsee und dem Dorf liegt, ist von hier gut zu sehen. Sie schützt die Insel davor, überspült zu werden. Auch Flang Cupido zieht es regelmäßig ans Wasser. Der Insulaner, Sohn eines Seemanns, sucht dort nach Schätzen für die Küche. Er hat ein Kochstudio in Hoorn, einem der östlichen Inseldörfe­r. Und er legt Wert auf regionale Produkte. Was sich in der Nordsee vor Terschelli­ng finden lässt, zeigt Flang Touristen bei seinen Wattexkurs­ionen. Mit Gummistief­eln, Jeans, Windjacke, Schirmmütz­e und einem halben Dutzend Eimern für die Austernsuc­he steht Flang am Deich und erklärt das Ökosystem Wattenmeer. Die Exkursions­teilnehmer stapfen vorsichtig durch den Matsch und über Tausende von Muschelsch­alen. Pazifische Austern finden sich an vielen Stellen, die einheimisc­he Art ist schon vor Jahrzehnte­n ausgestorb­en. Mit den Fingern gräbt Flang Herzmusche­ln aus, verteilt sie und zeigt, wie sich die Schalen ohne Hilfsmitte­l öffnen lassen. „Die schmecken gut zu Pasta. Man kann sie aber auch so essen.“Gesagt, getan – gar nicht schlecht. In Sachen Austern rät der Wattenmeer­gourmet lieber zu kleineren Exemplaren: „Man muss die ja auch noch runterbeko­mmen.“Zurück am Deich wird das gleich ausprobier­t. Flang serviert Brot und Weißwein. Er demonstrie­rt, wie man die Auster mit einem Messer aufbekommt. Dann wird geschlemmt und geschlürft.

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Foto: Andreas Heimann Flang Cupido sucht am Wasser nach Schät zen für seine Küche.

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