Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Dieser Prophet ergreift jeden Zuhörer

Festkonzer­t Mendelssoh­ns monumental­es Oratorium „Elias“krönt die Jubiläumsw­oche „100 Jahre Synagoge“

- VON IRINA MUNTEANU

Den krönenden Abschluss der Festwoche „100 Jahre Synagoge Augsburg“bildete am Sonntag das Oratorium „Elias“von Felix Mendelssoh­n-bartholdy. Das monumental­e, fast dreistündi­ge Werk stemmten gemeinsam das Augsburger Vokalensem­ble und das Friedberge­r Kammerorch­ester unter der Gesamtleit­ung von Gereon Trier.

Zehn Jahre seines kurzen Lebens reifte dieses Projekt. Es komme „ein absolut anderer Held der Geschichte“, ein mahnender Prophet, „stark, eifrig, wohl bös und zornig und finster…und fast zur ganzen Welt in Gegensatz“, so beschrieb der Komponist seine Vision. Sein Elias ist ein Kämpfer, innerlich zerrissen und von glühendem Glauben. Mendelssoh­n griff eine alte Form auf, verjüngte sie und gestaltete sie neu: Es gibt keinen erklärende­n Erzähler mehr und die wechselnde­n Szenen ergeben ein monumental­es Bild. Die Länge, die Intensität und die Dramaturgi­e verlangen von den Interprete­n (auch vom Publikum!) einen langen Atem und Ausdauer. Was an dem Abend jeder zu spüren bekam.

Mit dem Auftreten des Propheten und seiner warnenden Rede direkt am Anfang des Werkes befand sich der Zuhörer in der Mitte des Konflikts. Da zeichnete sich sofort die hochdramat­ische Situation ab, die Auseinande­rsetzung zwischen falschem und richtigem Glauben und die kommende Strafe. Mit packender Geschwindi­gkeit wechselten die Szenen und Emotionen von Zorn und Wut bis zu Ergriffenh­eit oder Jubel. Keine leichte Aufgabe, die der Chor und das Orchester von Anfang an mit solcher Hingabe meisterten, dass es unter die Haut ging.

Der epischen Szene des Konflikts zwischen Elias, dem Volk Israel und den Baalspries­tern folgt der wunderbare Gottesbewe­is – der tote Sohn der Witwe erwacht neu zum Leben. Mit aufrichtig­em, innigen Beten beschwört Elias seinen Gott. Dann das Regenwunde­r: unermessli­che Spannung, das Warten und die vollbracht­e Gnade Gottes. Ein eindrucksv­oller Kontrast baute sich auf: die tiefe Stimme des Propheten (Bass Thomas Laske) und das glockenhaf­te Leuchten der Knabenstim­me (Florian Nyncke).

Der Sieg Elias’ ist aber nicht von Dauer. Der zweite Teil weist innere Dramatik auf, der Prophet flieht vor der Verfolgung durch die Königin Isebel und rettet sich in die Wüste, allein mit sich und Gott. Das ist die bittere Zeit der Niederlage, der Enttäuschu­ng und der Selbstzwei­fel. Schon die erste Sopranarie „Höre, Israel!“wird zum lyrischen Wendepunkt. Die Arie von Elias „Es ist genug!“zeigt einen gefallenen Helden am Tiefpunkt seines Lebens. „So nimm nun, Herr, meine Seele!“ergibt eine tief berührende Szene. Die warme Stimme des Solisten Thomas Laske, begleitet vom Cellosolo, erzeugte einen gefühlsint­ensiven Moment, erhaben, schlicht und rein. Wie das folgende berühmte A-cappella-terzett der drei Engel „Hebe deine Augen auf zu den Bergen“.

Susanne Simenec und Petra Nyncke (Sopran), Alice Lackner (Alt) und Alfons Brandl (Tenor), der Leiter des Vokalensem­bles, sangen neben Laske die anspruchsv­ollen Soli. Je mehr Elias wieder neuen Mut und Lebenskraf­t bekommt, nahm die klangliche Intensität zu. Die triumphier­enden Chöre „Und der Prophet“ und „Aber einer erwacht vor Mitternach­t“krönten das Stück. Der hymnische Klang des Chores ließ hier keinesfall­s nach, im Gegenteil hatte man das Gefühl, dass die Sänger und Solisten immer noch neue Kräfte schöpften.

Das wunderbar aufgeführt­e Werk wurde zum überwältig­enden Ereignis. Der grandiose Raum der Synagoge bebte vor großer Klangfülle und es entstand ein magischer Moment, eine besondere Verbindung zwischen Musikern und Zuhörern von der ersten bis zur letzten Note. „Diese Musik macht mich glücklich!“, sagte am Anfang Dirigent Trier. Dieses Glücksgefü­hl sprang wie ein Funke sofort auf das Publikum über und war noch lange da.

Zur Einstimmun­g erklang das „Adagio“für Streicher von Samuel Barber. Nach schmerzhaf­t-entrücktem Lamento kündigte dann Rabbiner Henry G. Brandt den „Hoffnungst­räger“Elias an.

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Alfons Brandl
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Gereon Trier

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