Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wer jetzt noch eine Lehrstelle sucht
Aktion Bei einem Speed-dating führt die IHK Firmen und Bewerber zusammen. Es wird langsam Zeit, denn im September beginnt das neue Ausbildungsjahr
Augsburg Zwei Monate noch, dann beginnt das Ausbildungsjahr. Manche Jugendliche glauben sicher, dass sie jetzt keine Chance mehr haben, einen Platz zu finden. Die Industrieund Handelskammer (IHK) Schwaben versucht, das Gegenteil zu beweisen. Bei einem Speed-dating im Café Picnic in der Augsburger Maxstraße führt sie Firmen und Bewerber zusammen. Doch wer sucht jetzt noch nach einer Lehrstelle?
Zum Speed-dating angemeldet hatten sich 30 Bewerber, zwei Drittel davon sind gekommen. Fast alle sind Männer. Einer von ihnen ist Nico Andraschko. Der 18-jährige Krumbacher wechselte nach der mittleren Reife im vergangenen Jahr zunächst auf die FOS, doch die Fachoberschule war zu schwierig für ihn. Deshalb hat Andraschko spät mit der Suche begonnen, erst vor etwa einem halben Jahr. Der Beruf, für den er sich interessiert, ist begehrt. Der Mann will Fachinformatiker werden. Doch für den einen Ausbildungsplatz zum Fachinformatiker, der bei der Veranstaltung von Unternehmen angeboten wird, ist der Andrang größer als für alle anderen vertretenen Lehrberufe.
Andraschko hat einen Plan B. Wenn er bis zum Ausbildungsstart keine Stelle gefunden hat, wird er erst einmal auf eine Berufsschule für Informatiker in Ulm wechseln. Bis dahin sucht der Mann weiter.
Nach den Erfahrungen der IHK beginnen immer mehr Absolventen erst spät, sich zu bewerben. „Das ist ein Phänomen, das wir immer wieder beobachten“, bestätigt Jacqueline Schuster, die das Speed-dating organisiert hat. Bei diesem Konzept treffen junge Menschen und Unternehmer in lockerer Atmosphäre aufeinander. Gespräche, um sich kennenzulernen, dauern 15 Minuten.
Dabei kommt auch ein weiterer Grund zum Vorschein, warum manche Jugendliche bei ihrer Suche erfolglos sind. Beide Seiten – Bewerber wie Unternehmer – haben oft zu hohe Ansprüche. Zum Speed-dating sind vor allem engagierte Lehrstellenbewerber gekommen.
Einer von ihnen ist sogar von Memmingen nach Augsburg gefahren. Er interessiert sich für die gleiche Stelle wie Nico Andraschko. Seit rund einem Jahr sucht Philipp, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will, nach einer Lehrstelle zum Fachinformatiker. In seiner Heimatstadt und der Umgebung hatte er keinen Erfolg. „Die Firmen haben einfach hohe Anforderungen“, erzählt der Mann. Der 18-Jährige hat die Prüfungen für die mittlere Reife hinter sich gebracht und wartet auf sein Zeugnis. Wenn er bis zum 1. September keinen Ausbildungsplatz gefunden hat, will er erst einmal arbeiten gehen – und weitersuchen. „Notfalls was anderes“, sagt Philipp schulterzuckend.
Der Beruf, für den sich Qudratullah Mamozai beim Speed-dating vorstellt, ist weniger beliebt. Der 20-Jährige lebt in Gersthofen und will Koch werden. Da trifft es sich an sich gut, dass Werner Bahmann, Geschäftsführer des gastgebenden Cafés, in diesem Jahr erstmals nach einem Koch-azubi sucht. Über die bisherigen Bewerbungen für seine Lehrstelle ist der Gastronom entsetzt. „Die Warnungen von Kollegen haben sich bestätigt“, berichtet er. Doch Mamozai, der vor zwei Jahren aus Afghanistan nach Deutschland geflohen ist, gehört nicht zu diesen Bewerbern. Der Afghane hat erst vor kurzem mit der Suche nach einem Ausbildungsplatz begonnen. Die Kurzgespräche beim Speed-dating sind sein erster Versuch, eine Stelle zu finden. In der Integrationsklasse, die er an der Berufsschule Neusäß besucht, stand das Thema zuvor nicht auf dem Plan. Nach der Veranstaltung macht sich der Afghane Hoffnungen auf eine Koch-lehrstelle.
Zu dem Speed-dating sind nicht nur äußerst engagierte Bewerber gekommen. So hat sich ein junger Mann nicht einmal gemerkt, für welches Gespräch mit einem Unternehmen er angemeldet ist. Ein anderer zeigt kaum Interesse, als ihm seitens der Industrie- und Handelskammer erklärt wird, welche Branchen und Berufe für ihn infrage kommen könnten.