Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Streit um neue Sozialwohnungen
Politik Die SPD will eine feste Quote für gefördertes Wohnen in Neubaugebieten, die CSU sperrt sich bislang dagegen. Die Diskussion darüber wird Auswirkungen auf den gesamten Wohnungsmarkt haben
Die Stadt ist dabei, abzuschätzen, wie viele geförderte Wohnungen in Augsburg in den kommenden Jahren nötig werden. Denn die seit Jahren geführte Debatte, wie viele Sozialwohnungen in Neubaugebieten künftig errichtet werden, nimmt wieder an Fahrt auf. Die SPD will eine Quote von 30 Prozent durchsetzen, und auch eine Wohnraumstudie der Universität Augsburg hat diese Idee nun aufgenommen.
Die Frage, wie viele Sozialwohnungen es gibt, trifft dabei nicht nur Augsburger, die auf Hartz-iv-niveau leben. Bei den heute gebauten geförderten Wohnungen können auch Mittelschicht-familien profitieren, weil eine soziale Durchmischung der Bewohner gewünscht ist. Angesichts steigender Mietpreise haben nicht nur Geringverdiener Probleme, eine Wohnung zu finden – die Zahl von Sozialwohnungen hat damit Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt insgesamt.
Grundsätzlich ist die Zahl der Sozialwohnungen in den vergangenen Jahren drastisch gesunken. Die Folge, wenn Sozialwohnungen 25 Jahre nach ihrem Bau aus der Preisbindung fallen, sind häufig Mieterhöhungen, wie sie jetzt in der Eulerchelpin-straße bekannt wurden. Dort fürchten Bewohner, nach dem Abschluss geplanter Modernisierungsmaßnahmen die Miete nicht bezahlen zu können. Aktuell gibt es in Augsburg um die 6000 Sozialwohnungen (bei insgesamt 95 000 Mietwohnungen). Im Jahr 2002 waren es noch doppelt so viele Sozialwohnungen. Dort ist die Miete für die Bewohner gedeckelt, weil der Staat etwas dazu bezahlt. Hinzu kommen noch ältere Wohnungen der städtischen Wohnungsbaugruppe, die relativ günstig zu haben sind. Allerdings ist die Warteliste dafür lang, weil momentan kaum jemand ausziehen mag.
Untätig ist die Stadt nicht geblieben. Die städtische Wohnbaugruppe (WBG) hat den Auftrag, pro Jahr um die 100 neue Wohnungen zu bauen. Und in fast jedem Neubaugebiet sind geförderte Wohnungen vorgesehen, allerdings ohne fixe Quote und meist unter 30 Prozent.
Aus Sicht des Mietervereins genügt das aber nicht. Vorsitzender Thomas Weiand frage sich beispielsweise, wo ältere Augsburger, die nach Renteneintritt mit weniger Geld auskommen müssen, künftig leben sollen. „Wir müssen über diese Quote entscheiden, sonst entscheiden wir dadurch, dass wir nichts tun, implizit doch“, sagt Spd-fraktionsvorsitzende Margarete Heinrich. Seit Jahren schiebe der Stadtrat eine Entscheidung vor sich her. Tue die Stadt nichts, gebe es für immer mehr Augsburger ein Wohn-problem.
Momentan ist das eine politische Forderung, über die noch nicht entschieden ist. Sozialreferent Stefan Kiefer (SPD) muss dem Stadtrat zunächst Fakten liefern, was den geschätzten Bedarf in Bezug zu geplanten Neubaugebieten betrifft. Diskutiert wird nach der Sommerpause. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass sich die Regierungspartner CSU und SPD uneins sind. Einen Vorgeschmack gab es im Sozialausschuss des Stadtrates diese Woche, wo ein Wohnkonzept, das die Unigeografen im Auftrag der Stadt erstellt hatten, vorgestellt wurde. Die Idee, eine Quote für Sozialwohnungen vorzuschreiben, taucht dort an mehreren Stellen auf. Sofort gerieten die Stadträte in Streit, wie binmehr
Das Konzept der Universität
Das Wohnkonzept der Universität hat speziell Menschen, die sich aufgrund besonderer Lebenslagen auf dem Woh nungsmarkt schwertun, im Fokus. Teils hat die Stadt die Anregungen schon aufgegriffen, etwa die Schaf fung einer Beratungsstelle. Allerdings beinhaltet es auch weitergehende Vorschläge, die in Gesprächsrunden mit Verwaltung und Akteuren der Wohnungswirtschaft erarbeitet wur den. Über deren Umsetzung wurde noch nicht beraten. Ein Ausschnitt:
Die Tür soll für neue flächensparende Bauformen dend das Konzept sein soll und ob der Sozialausschuss das ohne den Bauausschuss überhaupt entscheiden kann. Linken-stadtrat Alexander Süßmair sagte, es sei höchste Zeit zu handeln. „Eigentlich
Wie bindend soll das Konzept sein?
bräuchten wir bald eine Quote von 50 Prozent angesichts der Sozialstruktur in Augsburg.“Csu-stadträtin Ingrid Fink warnte dagegen davor, den Leuten vorzugaukeln, dass jetzt alle Vorschläge zügig umgesetzt werden. Am Ende nahm der Ausschuss das Konzept gegen die Archivfoto: Silvio Wyszengrad Stimmen von CSU, FDP und Pro Augsburg „zustimmend zur Kenntnis“– endgültig entschieden ist damit noch nichts, aber die Verwaltung hat den Auftrag, Maßnahmen zur Umsetzung vorzustellen.
Laut Kiefer war das Konzept mit dem Baureferat abgestimmt – Referent Gerd Merkle (CSU) ist aber alles andere als ein Freund der Quote. Bürde man einem Investor zu viele Auflagen wie geförderte Wohnungen oder Kitas auf, werde der städtebauliche Vertrag mit der Stadt im Extremfall nichtig, so Merkles Einschätzung. Eine 30-Prozentquote komme nur als Richtschnur fürs ganze Stadtgebiet in Frage. Über den Anteil sei je nach Viertel und dessen Bewohnerstruktur, etwa hinsichtlich Migrationshintergrund oder Einkommen, zu entscheiden, so Merkle.
Im Reese-areal hielten Bewohner der Stadt 2016 vor, das nicht getan zu haben. Dort werden – wenn die WBG ihre Projekte an der Ulmer Straße verwirklicht hat – mehr als 30 Prozent geförderte Wohnungen stehen, zusätzlich zu bestehenden Wohnblocks im Bereich der Carlschurz-straße, die nicht als die einfachste Gegend gilt. Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) warnte damals vor einer Stigmatisierung der Bewohner, sagte aber auch, dass die Stadt bei der Schaffung von Wohnraum nicht nur Geringverdiener im Auge haben dürfe.