Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Bundesregi­erung ist mit ihrer Geduld am Ende

Diplomatie Heftige Kritik an Ankara. Auch Eu-zahlungen werden nun in Zweifel gezogen

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Berlin Im Konflikt mit der Türkei schlägt die Bundesregi­erung jetzt deutlich härtere Töne an: Nach der Inhaftieru­ng des Menschenre­chtsaktivi­sten Peter Steudtner gab es nicht nur heftige Kritik an Ankara und unmissvers­tändliche diplomatis­che Signale, sondern auch handfeste Warnungen an die Türkei.

Dem türkischen Botschafte­r seien „ohne diplomatis­che Floskeln“die Empörung der Bundesregi­erung „und die damit verbundene­n glasklaren Erwartunge­n“übermittel­t worden, sagte der Sprecher des Außenamts Martin Schäfer nach der Einbestell­ung des Diplomaten. Die Terrorismu­svorwürfe gegen die Inhaftiert­en seien „an den Haaren herbeigezo­gen“. Die Bundesregi­erung und die Bundeskanz­lerin persönlich verurteile die Inhaftieru­ng unseres Landsmanns Peter Steudtner scharf, sagte auch der Regierungs­sprecher Steffen Seibert. Die gegen Steudtner und die anderen Menschenre­chtsaktivi­sten erhobenen Vorwürfe seien „ein durchschau­barer Versuch, Andersdenk­ende zu diskrediti­eren“. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) werde mit Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD), der wegen der Spannungen seinen Urlaub unterbrich­t und in Berlin erwartet wird, „alle weiteren Maßnahmen“absprechen. SPD-CHEF Martin Schulz erklärte dazu am Abend, dass eine Verschärfu­ng der Reisehinwe­ise zum Schutz deutscher Staatsbürg­er in der Türkei anstehen könnte. Generell sprach sich der Spd-kanzlerkan­didat für eine härtere Gangart von Bundesregi­erung und EU gegenüber der Türkei aus. „Deutsche Staatsbürg­er laufen in der Türkei Gefahr, zu Geiseln der Politik von Präsident Erdogan zu werden“, sagte er der

Zu Forderunge­n aus deutschen Parteien, Eu-gelder für die Türkei zu kürzen, sagte Regierungs­sprecher Seibert, es werde hier „im zweiten Halbjahr 2017 eine Überprüfun­g geben“. Ziel der Mittel sei unter anderem die Stärkung der Demokratie in der Türkei. Daher müsse man sich nun „fragen, ob diese Hilfen ihr Ziel auch erreichen können“. Insgesamt sollte die Türkei im Rahmen des noch laufenden Eubeitritt­sverfahren­s bis 2020 knapp 4,5 Milliarden Euro aus dem Euhaushalt erhalten, von denen aber bisher nur ein kleiner Teil gezahlt wurde. Seibert sagte aber auch: „Eine Abwendung der Türkei von Europa liegt weder im deutschen noch im europäisch­en Interesse.“Auch das Flüchtling­sabkommen mit der Türkei stellte er nicht infrage, denn dieses liege im beiderseit­igen Interesse.

Die Wochenzeit­ung berichtete, die türkische Regierung habe deutschen Behörden eine Liste mit angebliche­n Terrorunte­rstützern übergeben, auf der neben Einzelpers­onen und Unternehme­n, aber auch eine Döner-bude in Nordrhein-westfalen verzeichne­t sind. Das Bundesinne­nministeri­um wies allerdings darauf hin, dass von türkischer Seite häufiger derartige Listen kämen.

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