Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
So verteidigt sich Kardinal Müller gegen Vorwürfe
Kirche Nach dem Abschlussbericht zum Missbrauchsskandal bei den Regensburger Domspatzen nimmt die Kritik an ihm zu
Rom Wer trägt die Verantwortung für den größten Misshandlungsund Missbrauchsskandal der katholischen Kirche in Deutschland? Für das Leid von mindestens 547 Kindern, die zwischen 1945 und den 90er Jahren bei den Regensburger Domspatzen Opfer von körperlicher und sexueller Gewalt geworden sind? Am Dienstag nun stellte der unabhängige Sonderermittler Ulrich Weber seinen Abschlussbericht vor, weltweit berichteten Medien.
Auch, weil es um einen Kardinal geht, der bis vor kurzem noch einer der mächtigsten Männer der katholischen Kirche war: der Deutsche Gerhard Ludwig Müller, einst Bischof von Regensburg.
In Webers Abschlussbericht steht auf Seite 416, dass Müller „als oberstem Repräsentanten des Bistums eine klare Verantwortung für die strategischen, organisatorischen und kommunikativen Schwächen im Aufarbeitungsprozess zugeschrieben werden“müsse. Müller, der von 2002 bis 2012 Regensburger Bischof war, hatte bei Bekanntwerden der Gewalttaten 2010 eine Aufarbeitung in die Wege geleitet. Diese war aber laut Abschlussbericht mit vielen Schwächen behaftet.
Diese Kritik machte sich Johannes-wilhelm Rörig zu eigen. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung sagte, unter Müller sei eine umfassende, proaktive Aufarbeitung des Domspatzen-skandals unter Einbeziehung von Betroffenen versäumt worden. Er forderte eine Entschuldigung.
Müller äußerte sich dazu am Mittwochabend. Unmissverständlich, wie es seine Art ist. Er habe die Aufarbeitung nicht verschleppt, im Gegenteil. „Wir haben den Aufarbeitungsprozess von null an initiiert und reagiert, indem wir die Meldungen weitergeleitet haben, was vorher nicht so möglich war, weil die Domspatzen eine eigenständige Stiftung sind“, erklärte er. Die Meldungen über Straftaten seien bis zu seinem Weggang 2012 nach Rom „ordnungsgemäß behandelt worden“. Er forderte von Rörig eine Entschuldigung: „Ich fordere ihn auf, sich für die unwahren Behauptungen von Verschleppung zu entschuldigen und diese abzustellen.“
Müller, der fünf Jahre der Glaubenskongregation im Vatikan vorstand, die auch für die Aufklärung von Missbrauchsfällen zuständig ist, hatte zuvor in einem ausführlichen Interview angesichts von Missbrauchsfällen vor einer pauschalen Verurteilung der Kirche gewarnt: „Es ist offensichtlich, dass die katholische Kirche bei dem Thema härter angegangen wird, dass Priester a priori verdächtigt werden.“Das Interview mit der Deutschen
Presse-agentur wurde am 10. Juli in Rom geführt und damit noch vor der Veröffentlichung des Abschlussberichts zum Domspatzen-skandal
Müller will die Aufarbeitung vorangetrieben haben
am Dienstag. Bereits in dem Interview hatte Müller dazu gesagt: Er habe die Aufarbeitung vorangetrieben und verstehe nicht, wieso da von Behinderung die Rede sei. Die Straftaten seien Jahrzehnte vor seinem Amtsantritt Ende 2002 begangen worden. „Um den Opfern zu helfen, wurden Diözesanbeauftragte bestellt, die mit einer Kommission von Experten den Anzeigen sorgfältig nachgehen.“Auch Fälle von sexuellem Missbrauch und Körperverletzung bei einzelnen Einrichtungen der Domspatzen seien einbezogen worden, sagte er. In einem eigenen Hirtenbrief habe er die Geschädigten aufgerufen, sich dort zu melden. „Eine ,Chronologie der diözesanen Aufarbeitung von 2010 bis 2016‘ gibt detaillierte Auskunft über die Tatsachen, die oft weit von verbreiteten Fehlurteilen abweichen.“
Für Müller läuft es derzeit alles andere als gut. Kürzlich verlor er einen der wichtigsten Posten der katholischen Kirche, den des Präfekten der Glaubenskongregation. Papst Franziskus hatte seine Amtszeit Anfang Juli überraschend nicht verlängert. Es gab Spekulationen, dass Müllers Rolle im Domspatzenskandal zur Entscheidung des Papstes beigetragen haben könnte. War seine Ablösung gar ein Rauswurf?
„Von interessierten Seiten wurden angebliche Spannungen ins Gerede gebracht. Der Papst hat mir jedoch immer wieder versichert, dass er diesen Gerüchten keinen Glauben schenkt und mir voll vertraut“, antwortete Müller. Aber genaue Gründe kenne er nicht. Dann sagte er noch, dass er sich nicht als „Scharfmacher“sehe, als der er hingestellt werde. »Kommentar