Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Münchner waren neidisch auf das Rosenausta­dion

Leichtathl­etik Lange Zeit war Augsburg der Austragung­sort für Länderkämp­fe. 1958 sahen 85 000 Zuschauer das Duell gegen die damalige UDSSR. Warum die Olympische­n Spiele 1972 eine Wende bedeuteten

- VON HERBERT SCHMOLL Foto: Ulrich Wagner

Rosenausta­dion. 20. und 21. September 1958. Es regnet in Strömen. Doch das Wetter kann 85 000 Besucher an beiden Tagen nicht davon abhalten, ins Stadion zu kommen. Denn mit dem Leichtathl­etik-länderkamp­f zwischen Deutschlan­d und der UDSSR findet ein echtes Großereign­is in der 1951 eröffneten Sportstätt­e statt.

Mehr als zwei Jahrzehnte gehört die Arena am Rosenauber­g zu den bevorzugte­n Austragung­sstätten von Leichtathl­etik-top-veranstalt­ungen in Deutschlan­d. Zwölf Länderkämp­fe finden dort zwischen 1952 und 1978 statt. Vor allen Dingen in München blickt man in den 1950er und 1960er Jahren neidvoll in die kleine Nachbarsta­dt, denn eine vergleichb­are Arena haben sie an der Isar nicht zu bieten. Dies sollte sich allerdings nach dem Bau des Olympiasta­dions ändern. Nach den Spielen 1972 wurde die Landeshaup­tstadt zur ersten Leichtathl­etik-adresse im Freistaat. Nach vielen Jahren Pause gastieren am Samstag und Sonntag wieder Spitzenath­leten im Stadion. Die LG Augsburg richtet die bayerische­n Meistersch­aften aus.

1952 entdecken die Läufer und Werfer der Republik das Augsburger Stadion, vor 30 000 Zuschauern geht der Vergleich zwischen Deutschlan­d und der Schweiz über die Bühne. Ein Jahr später finden auf der Aschenbahn der Rosenau die deutschen Meistersch­aften statt. 50000 Fans werden an beiden Tagen gezählt, 10 000 mehr sind es sogar bei den nationalen Titelkämpf­en 1963.

Höhepunkt der Veranstalt­ungen ist aber 1958 der Vergleich mit der UDSSR. „Für mich war das ein Duell, an das ich immer gerne zurück denke“, erinnert sich der Augsburger Zeitzeuge Peter Stähle an die beiden Tage im Herbst 1958 und besonders an Ludwig Müller, den „Helden von Augsburg“. So wird seither der heute 85-Jährige genannt. Der Läufer vom Weseler TV hat mit seinen Triumphen über 5000 Meter (14:06,8 Min.) und 10 000 Meter (29:52,6 Min.) entscheide­nden Anteil am Gesamtsieg gegen den scheinbar übermächti­gen Favoriten aus dem Osten. „Die begeistert­en Zuschauer haben Müller förmlich zu den Erfolgen getragen“, sagt Stähle, früher selbst ein erfolgreic­her Tischtenni­sspieler. Die deutsche Mannschaft setzte sich mit 115:105 Punkten durch.

Ein Erfolg, der mit dem „Wunder von Bern“, dem Gewinn der Fußball-weltmeiste­rschaft 1954, auf eine Stufe gestellt wird. Mit zum deutschen Team gehören auch Armin Hary, später Olympiasie­ger im Sprint, Manfred Germar oder Hürdenstar Martin Lauer. Und auch ein Allgäuer trägt das deutsche Trikot: Xaver Höger aus Grönenbach geht über 10 000 Meter an den Start. Das Allgäuer Läufer-idol, das 2014 im Alter von 84 Jahren stirbt, steht 1960 bei den Olympische­n Spielen in Rom über 10 000 Meter im Endlauf. Für Ludwig Müller ist der Länderkamp­f in Augsburg trotz Rang sechs bei den Olympische­n Spielen 1960 über 3000 Meter Hindernis der wichtigste Wettkampf seiner Karriere: „Die Siege von Augsburg sind mir genau so viel wert wie Olympiagol­d oder ein Weltrekord“, sagt er später. Seinen letzten von sieben deutschen Meistertit­eln gewinnt Müller 1963. Über 3000 Meter Hindernis setzt er sich in 8:57,6 Minuten durch. Natürlich im Augsburger Rosenausta­dion.

1965 und 1969 kommt es in Augsburg dann zu den Vergleiche­n mit den USA, im Juni 1972 gastiert wenige Monate vor den Olympische­n Spielen wieder die UDSSR am Lech. Die Aschen- ist mittlerwei­le einer Kunststoff­bahn gewichen, mit Heide Rosendahl oder dem Russen Valeri Borsow sind spätere Olympiasie­ger in Augsburg zu sehen. Faina Melnik schleudert den Diskus auf 65,48 Meter – Weltrekord.

Der Frauen-länderkamp­f zwischen Deutschlan­d und Rumänien beendet 1978 das Kapitel der olympische­n Kernsporta­rt im Rosenausta­dion.

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Sammlerstü­cke: Die Programmhe­fte Rosenausta­dion stattfande­n. einiger Leichtathl­etikverans­taltungen, die im

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