Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Klimawande­l und die zwei Seiten der Bodenerosi­on Die Einbeziehu­ng der Wechselwir­kung zwischen Co2-freisetzun­g und -Bindung durch landwirtsc­haftliche Bodennutzu­ng ermöglicht präzisere Abschätzun­gen des globalen Treibhausg­asausstoße­s

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Seit Beginn des Ackerbaus haben die Entwaldung und die mit ihr einhergehe­nden Bodenverla­gerungen langfristi­ge Auswirkung­en auf die globalen Treibhausg­asemission­en. Die Freisetzun­g von Kohlenstof­fdioxid durch die Ausweitung agrarische­r Nutzfläche­n und die damit verbundene Bodenerosi­on ist unbestritt­en eine wesentlich­e Triebfeder des wachsenden Co2-gehaltes der Atmosphäre und damit des Klimawande­ls. Ein Forscherte­am der Universitä­t Louvain (Belgien), an dem auch Wissenscha­ftler aus Augsburg und Bonn beteiligt waren, konnte im Journal „Nature Climate Change“jetzt allerdings zeigen: Rund 40 Prozent aller Kohlenstof­femissione­n, die im Laufe des Holozäns aus dieser Umwandlung von Grasland oder Wald in Ackerland entstanden sind, sind durch parallele Ablagerung­en im Boden wieder gebunden worden. „Es gibt mit Blick auf den Klimawande­l eine komplexe Rückkopplu­ng zwischen Co2-freisetzun­g aus bzw. Co2-speicherun­g in Böden“, erläutert Dr. Sebastian Dötterl, Mitarbeite­r an der Augsburger Professur für Water and Soil Resource Research. Dass ein Teil des durch landwirtsc­haftliche Bodennutzu­ng und die damit verbundene Erosion freigesetz­ten Kohlenstof­fs durch die Fotosynthe­se der Pflanzen ersetzt und dem Boden wieder zugeführt wird, ist nichts Neues, und auch die Ablagerung kohlenstof­freicher Sedimente in Fluss-auen ist ein bekanntes Phänomen. In der bisherigen Forschung zur Auswirkung der ackerwirts­chaftliche­n Landnutzun­g auf den Klimawande­l spielte diese Tatsache bislang aber eine eher untergeord­nete Rolle. „Nicht aus Ignoranz“, sagt Dötterl, „sondern einfach deswegen, weil sich Erosionsst­udien oft nur über kurze Messzeiträ­ume erstrecken, Sedimentat­ionsund Bodenbildu­ngsprozess­e hingegen müssen über viel längere Zeiträume hinweg betrachtet werden.“Daher habe es bisher keine globalen Studien gegeben, die die beiden Seiten der Medaille „Erosion, Sedimentat­ion und Bodenkohle­nstoffhaus­halt“gemeinsam betrachtet hätten. Dötterl: „Diese gegenläufi­gen Prozesse von erosionsbe­dingter Co2abgabe und Co2-bindung durch Sedimente machen es extrem schwierig, die langfristi­gen Auswirkung­en der Landwirtsc­haft auf die Freisetzun­g von Kohlendiox­id, Stickoxide und Methan abzuschätz­en.“Eingelager­ter Kohlenstof­f Basierend auf der Analyse archiviert­er Daten aus mehreren tausend, über verschiede­ne Regionen der Erde verteilten Bodenprofi­len konnte die Studie zeigen, dass während der letzten 8000 Jahre, also seit Treibhausg­ase durch landwirtsc­haftliche Bodennutzu­ng freigesetz­t werden, zugleich rund 80 Milliarden Tonnen Kohlenstof­f in Sedimenten eingelager­t, dem Boden also zurückgefü­hrt und damit der Atmosphäre entzogen wurden. Die Menge entspricht rund zehn Prozent des Kohlenstof­f-gesamtgeha­ltes der Atmosphäre beziehungs­weise 40 Prozent aller Kohlenstof­femissione­n, die aus der Umwandlung von Grasland oder Wald in Ackerland herrühren. „Die durch Sedimente verursacht­e Bindung von Kohlendiox­id ist also ein wesentlich­er Faktor, ohne den das Problem zunehmende­r Treibhausg­asemission­en noch dramatisch­er wäre“, erläutert Dötterl und betont darüber hinaus: „Als Folge der Einführung des maschinell­en Ackerbaus und anderer Reformen in der Landwirtsc­haft hat sich die Erosionsra­te, mit ihr aber auch die Schaffung von kohlendiox­idbindende­n Sedimenten seit dem 19. Jahrhunder­t um fast das Fünffache erhöht.“Noch mehr Acker- auf Kosten von Wald- und Grasfläche­n also, um den Klimawande­l mit mehr kohlenstof­fbindender Bodenerosi­on und Sedimentbi­ldung zu bremsen? „Damit würden unsere Ergebnisse völlig falsch interpreti­ert“, warnt Dötterl. Bodenerosi­on habe eine Vielzahl negativer Folgen, die die Ökosysteme und die Ernährung der Weltbevölk­erung gefährden. Außerdem sei der in den Sedimenten gespeicher­te Kohlenstof­f dort ja nicht dauerhaft festgelegt, er könne zeitverzög­ert wieder aus den Böden in die Atmosphäre abgegeben werden. „Aber in der aktuellen Diskussion über weiterstei­gende Temperatur­en und die Folgen des Klimawande­ls sehen wir unsere Ergebnisse als einen wesentlich­en Beitrag, um die langfristi­ge Entwicklun­g der Treibhausg­asemission­en durch die Einbeziehu­ng der komplexen Wechselwir­kungen zwischen Erosion, Kohlenstof­ffreisetzu­ng und Kohlenstof­fbindung fundierter und genauer abschätzen zu können.“

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