Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Von der Brown Economy zur Green Economy
Der von der Menschheit in den letzten 100 Jahren verursachte Klimawandel ist ein Faktum, die Folgen werden in verschiedener Hinsicht dramatisch sein – so sehen es inzwischen nahezu alle Wissenschaftler und die meisten Politiker unserer Welt. Mit zahlreichen Gesetzen und Maßnahmen wird aktuell versucht, dem entgegenzusteuern: Die Weltwirtschaft soll von einer „Brown Economy“auf der Grundlage fossiler Brennstoffe wie Kohle und Erdöl auf eine „Green Economy“umgestellt werden. Diesen Trend der „Dekarbonisierung der Wirtschaft“wird auch die Anti-klimapolitik der USA unter Trump nicht aufhalten. Viele Großinvestoren und zahlreiche Kleinanleger haben darauf bereits reagiert und Aktien „alter und dreckiger Unternehmen“zugunsten eher klimafreundlich produzierender Unternehmen abgestoßen. Nachhaltige Kapitalanlagen in verschiedensten Facetten wie Green Bonds und Green Funds liegen voll im Trend, denn man möchte sein Vermögen „sauber investieren“. Gefahren für Unternehmen und den Finanzmarkt Die Folgen für den Wert von Aktien und anderen Finanztiteln können erheblich sein. So dürfen Berechnungen der Carbon Tracker Initiative aus dem Jahr 2013 zufolge nur circa fünfzehn Prozent der bekannten bzw. 30 Prozent der erschlossenen Kohle-, Erdölund Gasreserven der börsennotierten Unternehmen tatsächlich gefördert und verbrannt werden, wenn das Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens eingehalten werden soll, die Erderwärmung auf unter zwei Prozent zu begrenzen. Werden die verbleibenden 70 bis 85 Prozent Reserven, die sogenannten „Stranded Assets“, nun abgeschrieben, sinken die Werte der Unternehmen er- heblich und Insolvenzen sind wahrscheinlich. Das wiederum könnte das Bankensystem – wieder einmal – in eine gefährliche Schieflage bringen. Oft wird daher schon jetzt von einer neuen Finanzmarktblase in Form der „Carbon Bubble“gesprochen. Gewinner einer „Green Economy“Auf der anderen Seite wird es viele Unternehmen geben, die aus dem Transformationsprozess der Wirtschaft als Gewinner hervorgehen, wie etwa Tesla. Aber auch „alte Unternehmen“können zu den Gewinnern zählen, wenn sie sich an die neuen Umstände anpassen. Wie können nun aber potenzielle Gewinner und Verlierer und die damit verbundenen Finanztitel wie Aktien, Anleihen und Fonds identifiziert werden? Wie können verbundene Chancen und Risiken adäquat gemessen und gesteuert werden? Und wie kann verhindert werden, dass Steuerzahler letztlich wieder einspringen müssen, wenn Finanzunternehmen in Schieflage geraten sollten? Risiken und Chancen transparent machen Am Lehrstuhl für Finanz- und Bankwirtschaft forschen wir in Kooperation mit Kollegen in Sydney zum Thema „Carbon Risk Management“. Ziel ist es, die mit dem Transformationsprozess der Wirtschaft verbundenen finanziellen Chancen und Risiken für Unternehmen, Finanztitel und Wertpapierportfolios erkennbar, berechenbar und damit transparent und handhabbar zu machen. Dies hilft Kapitalanlegern bei der Zusammenstellung ihrer Portfolios, der Finanzindustrie bei der Bereitstellung nachhaltiger Finanzprodukte und der Finanzaufsicht bei der Vermeidung von Schieflagen bei Banken. Nur wenn die verbundenen Chancen und Risiken transparent und handhabbar sind, kann der Transformationsprozess der Wirtschaft ohne zu große Reibungsverluste gelingen. Die Forschung erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Verein für Umweltmanagement und Nachhaltigkeit in Finanzinstituten e. V. (VFU). Workshops mit Finanzunternehmen, Aufsichtsbehörden, Rating-agenturen und Vertretern der Politik sorgen für die Praxistauglichkeit. Wir möchten so einen Beitrag zu einer hoffentlich erfolgreichen und zugleich effizienten Transformation der Wirtschaft in Richtung einer Green Economy leisten. Ökonomische Wachstumstheorien versuchen, die Ursachen von Wirtschaftswachstum zu erklären, um darauf aufbauend die langfristigen wirtschaftlichen Entwicklungen eines Landes zu prognostizieren. Sie verstehen sich als Handreichungen, an denen sich politische Entscheidungsträger im Interesse zukunftsfähiger Handlungsstrategien orientierten können beziehungsweise sollten. Seit der Studie „Die Grenzen des Wachstums“, die vor 45 Jahren Furore gemacht hat, spricht man auch von Postwachstumstheorien. Sie stellen eher die sozial, ökologisch, politisch, aber auch ökonomisch potenziell katastrophalen Folgen unbegrenzten Wachstums in den Vordergrund. Welchen Einfluss haben diese Theorien auf die Gestaltung deutscher Außenpolitik? Mit dieser Frage befasst sich der Politikwissenschaftler Dr. Ulrich Roos am Augsburger Lehrstuhl für Friedens- und Konfliktforschung. „Politische Prozesse werden von Ideen bestimmt“, sagt er. Seit mehreren Jahren bereits befasse er sich mit den Ideen und Werten, die deutsche Außenpolitik maßgeblich prägen und mit den Veränderungen bzw. Kontinuitäten, die hier feststellbar sind. Die Außenpolitiken Berlins, dann Bonns und jetzt wieder Berlins sind seit Jahrzehnten ein zentrales Forschungsfeld der deutschsprachigen Politikwissenschaft. Deutschlands Geschichte in Europa, besonders die gravierenden weltpolitischen Konsequenzen außenpolitischer Entscheidungen Deutschlands im späten 19. und 20. Jahrhundert legen dies nahe. Und jüngste Vergangenheit und Gegenwart zeigen, dass die besondere Verantwortung, die die deutsche Außenpolitik für Europa hatte, aufgrund der Wiedervereinigung und der gewachsenen deutschen Wirtschaftsmacht im 21. Jahrhundert nicht nur weiter besteht, sondern sogar wieder zugenommen hat. Der Forschungsstand zur deutschen Außenpolitik ist dementsprechend umfangreich. Es mangelt aber an Untersuchungen, wie das Streben nach ökonomischem Wachstum bzw. nach Zielen, die von Postwachstumstheorien vorgegeben werden, auf die Entwicklung dieser Außenpolitik Einfluss nahm und nimmt. „Befunde aus unseren bisherigen Forschungen eröffnen die realistische Aussicht, dass wir mit der spezifischen Fragestellung unseres aktuellen Projekts fundierten Aufschluss darüber erhalten werden, welchen Stellenwert die Idee ökonomischen Wachstums im Vergleich mit anderen Leitideen – etwa Multilateralismus, Nachhaltigkeit, Sicherheit oder Menschenrechte – als Triebfeder der deutschen Außenpolitik hat“– da ist Roos sich sicher. Wie und in welchem Umfang das Streben nach wirtschaftlichem Wachstum die deutsche Außenpolitik in den letzten Jahren bestimmt, will er insbesondere im Kontrast zur zivilgesellschaftlichen und wissenschaftlichen Postwachstumsdebatte herausarbeiten.