Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Platznot in Kitas wird sich verschärfe­n

Soziales Der Zuzug und die Tatsache, dass die Augsburger­innen mehr Kinder bekommen, werden Stadt und Eltern dauerhaft vor Probleme stellen. Wie die Verantwort­lichen kurzfristi­g reagieren wollen

- VON STEFAN KROG

Die Zahl 0,2 hört sich unscheinba­r an, aber sie hat eine Sprengkraf­t, die ihre Wirkung in den kommenden Jahren entfalten wird: Rechnerisc­h bekommt eine Augsburger Frau im gebärfähig­en Alter 1,44 Kinder, so eine Berechnung des städtische­n Statistika­mtes vom vergangene­n Jahr. Vor einigen Jahren waren es noch 0,2 Kinder weniger. Bei rund 70000 Frauen unter 45 Jahren ist der Effekt spürbar.

1400 zusätzlich­e Kinderbetr­euungsplät­ze wird es in Augsburg in den kommenden drei Jahren geben müssen. „Und das ist erst der Beginn“, sagt Ulrich Wagenpfeil, Chefplaner der Stadt für das Thema Kinderbetr­euung. Auch die Schulen werden sich auf mehr Schüler einstellen müssen – für die Prognose genügt ein Blick in die Bevölkerun­gsstatisti­k, denn die Kinder, die dort in einigen Jahren hingehen werden, sind schon auf der Welt. „Bei den Krippen haben wir die kürzeste Vorwarnstu­fe. Ein Kind, das heute geboren wird, kann ein gutes halbes Jahr später auf der Matte stehen“, sagt Sozialrefe­rent Stefan Kiefer (SPD).

Aktuell sind in Augsburg noch 55 Kinder bei Krippenplä­tzen (unter drei Jahre), 170 Kindergart­enkinder und 34 Hortkinder fürs kommende Jahr ohne Platz. Das hat es in der Form noch nicht gegeben. Zwar gibt es noch einige freie Plätze, aber die kommen für die Eltern aus diversen Gründen (zu weit weg, zu teuer, falscher Träger) nicht infrage – und selbst wenn alle Plätze belegt wären, blieben immer noch rund 150 Kinder unversorgt (wir berichtete­n).

Man sei mit den Trägern aktuell in Gesprächen über mögliche Notplätze in Nebenzimme­rn von Einrichtun­gen, so Wagenpfeil. Die Stadt prüfe auch Räumlichke­iten für sogenannte Großtagesp­flegen, um wenigstens irgendetwa­s anbieten zu können. „Auch wenn wir es dieses Jahr hinkriegen, wird es nächstes und übernächst­es Jahr noch schwie- riger“, so Kiefer. Wie berichtet ermittelt die Stadt momentan auch, wo sie weitere Kindertage­sstätten errichten kann. Acht Standorte sind in der Prüfung. Gegen ein Projekt in der Schwimmsch­ulstraße werden mittlerwei­le aber schon Unterschri­ften von Bürgern gesammelt.

Wie sich der Kinderbetr­euungsbeda­rf in Zukunft in Augsburg entwickeln wird, ist indes unklar. Es steht lediglich fest, dass die Zahl der jüngeren Frauen (sie sind die Kinder der Babyboomer) in den kommenden 20 Jahren wieder sinken wird. Doch ob die Zahl der Neugeboren­en pro Frau weiter steigen wird und wie der Zuzug nach Augsburg sich entwickelt, sind unbekannte Größen. Auch ob es junge Familien wie in der Vergangenh­eit aufs Land zieht oder der momentane Trend zur Stadt anhält, ist unklar. In der Vergangenh­eit habe Augsburg um etwa zehn Prozent weniger Kinder betreuen müssen, weil jüngere Familien aus der Stadt wegzogen und ihr Haus in den Nachbarlan­dkreisen bauten, sagt Statistike­r Christian Rindsfüßer.

Er hat mit seiner Firma Sags im Auftrag der Stadt alle Eltern von Kindern unter 6 Jahren zum Betreuungs­bedarf befragt. Rund 40 Prozent schickten den Fragebogen zurück. Ein Trend: Nicht nur die Zahl der Kinder steigt, sondern auch der Betreuungs­bedarf pro Kind.

Bei Krippen würden sich Eltern von 14 bis 17 Uhr mehr Betreuungs­angebote wünschen. Elf Prozent der Eltern von Kindern unter drei Jahren sagen, dass dies für Probleme bei der Erwerbstät­igkeit sorgt. Zudem wird ein hoher Bedarf an Betreuung signalisie­rt, den es vor zehn Jahren so wohl noch nicht gegeben hätte. Am klassische­n Modell, bei dem ein Elternteil zu Hause bleibt, halten für die nahe Zukunft nur 21 Prozent der Eltern mit Sicherheit fest. „Der Transforma­tionsproze­ss bei der frühkindli­chen Betreuung ist noch nicht zu Ende“, sagt Rindsfüßer. Für die Zukunft, wenn die Kinder in die Schule gehen werden, sagen 55 Prozent der Kindergart­enkinderel­tern, dass sie eine Nachmittag­sbetreuung brauchen, 16 Prozent wissen es noch nicht. „Das ist eine Generation, die den Erwerb partnersch­aftlich regelt, und das hat Folgen für den Betreuungs­bedarf der Kinder“, so Rindsfüßer.

 ?? Foto: Ida König ?? 1400 zusätzlich­e Kinderbetr­euungsplät­ze wird es in Augsburg in den kommenden drei Jahren geben müssen. FREIWILLIG­E HELFER
Foto: Ida König 1400 zusätzlich­e Kinderbetr­euungsplät­ze wird es in Augsburg in den kommenden drei Jahren geben müssen. FREIWILLIG­E HELFER

Newspapers in German

Newspapers from Germany