Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Wir lachen viel in den Proben“
Interview Der Dirigent Philippe Jordan erklärt, was er dieses Jahr bei den „Meistersingern“in Bayreuth zu beachten hat
Sie debütierten vor fünf Jahren in Bayreuth, als Sie bei Stefan Herheims „Parsifal“dirigierten. Wie ist es, jetzt zurückzukehren? Philippe Jordan: Ganz wunderbar. Ich hatte den Einstieg mit dem leichtesten Stück an diesem Haus, das eigens für dieses Haus geschrieben wurde. Und jetzt bin ich hier mit dem schwierigsten Stück. Bei den „Meistersingern“herrscht ein anderer Geist als beim Bühnenweihfestspiel „Parsifal“. Wir haben wahnsinnig viel Spaß – mit einer tollen Besetzung, einem tollen Regisseur, vom Orchester brauche ich gar nicht zu reden, die Musiker kennen und lieben diese Musik. Aber ich bin froh, dass ich diesen „Parsifal“2012 gemacht habe, denn man braucht eine gewisse Erfahrung mit dem Haus, wenn man mit den „Meistersingern“hier anfängt.
Was macht es so kompliziert, hier im Festspielhaus die „Meistersinger“aufzuführen? Jordan: Wir haben hier diesen mystischen Graben mit diesem speziellen „Parsifal“- und „Ring“-klang. Und die „Meistersinger“– das ist ja eher eine Handwerker-musik im Sinne von Bach – Kontrapunkt, Choräle, Fugen. Die Oper steht in der Tradition der deutschen Spieloper. Man muss diesen Stil heraushören. Das Orchester darf dieses Stück nicht so spielen wie beispielsweise „Tristan und Isolde“. Man muss viel mehr nach dem Text der Sänger gehen, man muss auch mit den Sängern viel mehr am Text arbeiten, an den Nuancen, an den Farben, an der Dynamik, am Subtext, anstatt an den großen Linien und Bögen. Das ist viel kleinteiliger, es geht Takt für Takt – und rauscht nicht in diesen großen Wagnerschen Wellen. Das ist feiner, das ist kleiner. Und an diesen Feinheiten muss man sehr viel arbeiten. Es ist ein Theaterstück, es ist eine Komödie. Ich behaupte, es ist die beste deutsche Komödie, die je geschrieben wurde. Der Text ist sehr gut, den könnte man auch ohne Musik spielen.
Dann ist es also umso wichtiger, dass Sie jetzt bei der Erarbeitung der „Meistersinger“von Anfang an bei der Entstehung der Produktion dabei sind? Jordan: „Parsifal“war eine Wiederaufnahme, zum Glück aber auch im Geist des Stückes inszeniert. Aber bei den „Meistersingern“ist es essenziell, dass Regisseur und Dirigent gut zusammenarbeiten. Selbst wenn wir unterschiedliche Ansätze haben, wir müssen in die gleiche Richtung gehen und wissen, wie wir das Stück zum Klingen bringen. Natürlich haben Barrie Kosky und ich schon im Vorfeld viel gesprochen, damit wir eine gemeinsame Linie finden. Wenn ich musikalisch etwas mache, unterstützt er das szenisch; wenn er eine szenische Idee hat, kann ich das sofort musikalisch umsetzen.
War es von Anfang an Chemie zwischen Ihnen Kosky stimmte? Jordan: Wir haben lange einen geeigneten Regisseur gesucht – und mit Barrie war mir nach einem Treffen klar: Das ist ein Theaterhandwerker mit viel Geist und viel Witz. Er macht viel Musical und Operette, er hat diesen Sinn, den es dafür braucht. Er kann den Job, er kann Personen sehr gut führen. Und ohne zu wissen, wie er das Konzept anlegen würde, habe ich im Gespräch gemerkt: Das ist einer, der Theater versteht und der Oper versteht. Und das nicht im routinierten Sinne.
Vor Ihrem Bayreuther „Parsifal“-dirigat sagten Sie, nach Bayreuth sei man ein anderer Dirigent. Stimmt das? Jordan: Absolut. Und nach diesem Jahr wieder. Man muss hier seine Technik noch einmal komplett anpassen. Wagner war der erste große Dirigent seiner Zeit. Wenn man in Bayreuth ist mit diesem Graben, mit diesen akustischen Verhältnissen, zwingt er uns noch einmal mehr, so zu denken, wie er als Dirigent gedacht hat. Das ist unglaublich spannend. Ich rede hier von technischen Sachen, aber es geht auch ins Musikalische. Als junger Dirigent ist man dazu geneigt, schnelle Passagen möglichst schnell zu spielen und langsame Passagen betont langsam, um möglichst viel Kontrast zu schaffen. Aber gerade das funktioniert in Bayreuth nicht. Gerade in diesem Festspielhaus muss man Schnelles herunterbremsen und langsame Stellen nie verschleppen.
Bayreuth wird ja immer Ernst unterstellt. Jordan: Also wir lachen viel in den Proben. Für Barrie gilt das sowieso, aber auch für die Sänger und das Orchester. Und es wird ja auch deutlich, wenn ich sage: Schaut, wir können „Meistersinger“hier nicht spielen wie „Tristan“oder die „Götterdämmerung“. Das ist ein anderes Stück. Es geht um Witz – das sollte nicht schwer und militaristisch gespielt werden. Denn Witz ist nicht ein deutsches oder Nürnberger Motiv, es ist das Meistersinger-motiv.