Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Nur nicht den Stift weglegen

Universitä­t Die englische Autorin Malika Booker lehrt in einem Workshop die Methode des „Free Writing“. Sie erklärt, warum es gut ist, ohne Pause einfach drauflos zu schreiben

- VON ALEXANDER RUPFLIN Foto: Michael Hochgemuth

Acht Studenten und die Autorin Malika Booker stehen in einem Raum der Universitä­t Augsburg im Kreis und legen imaginiert­e Objekte in die Mitte: eine Lampe, eine Schrotflin­te, Engelsflüg­el. Genommen als Symbole für ihre Namen Therese (die Warme), Niklas (der Tapfere), Malika (der Engel). Dann setzt sich die Gruppe an den großen Tisch, jeder vor seinen Block und schreibt, inspiriert durch die Gegenständ­e, eine Geschichte. Die Studenten sind Teilnehmer des Workshops „Creative Writing“, den Malika Booker leitet. Die Autorin kommt aus England, ist extra für den Workshop und eine Lesung nach Deutschlan­d geflogen, eingeladen von der Gesellscha­ft der Freunde der Uni Augsburg sowie vom Lehrstuhl für Englische Literaturw­issenschaf­t und der Juniorprof­essur für Neue Englische Literatur.

Booker will den Teilnehmer­n erst einmal die Technik des „Free Writings“vermitteln, und das bedeutet: schreiben, schreiben, schreiben. Es gilt, drauflos zu texten ohne abzusetzen, wenn man nicht weiter weiß. Lieber Nonsens kritzeln als den Stift wegzulegen. Die Übung darf drei, fünf oder auch gerne fünfzehn Minuten gehen. Man stellt sich eine Stoppuhr und legt los. Wer absetzt, verliert.

Die Studenten schauen erst ziemlich entgeister­t auf ihr weißes Blatt Papier. Aber Booker motiviert sie. Sie vermittelt laut lachend und klappernd mit den zahlreiche­n silbernen Ringen an ihren Armen, dass es hierbei um viel gehe, aber nicht darum, den nächsten „Hamlet“zu schreiben. Ihrem Ansatz liegt der Gedanke zugrunde, in diesem rastlosen, unmittelba­ren Schreiben die innere Stimme kennenzule­rnen, bevor man daraus für größere Texte schöpfen kann. Dem liegt eine gewisse Esoterik inne, es geht viel um das eigene Wohl, die eigene Person. Eine moderne Interpreta­tion des die in vielen Kursen dieser Art im Moment gelehrt wird.

Die meisten Teilnehmer des Kurses haben bisher wenig Berührung mit eigenem, kreativen Schreiben vorzuweise­n. Die Techniken könne man aber auch außerhalb des Anspruchs, Literatur zu schaffen, gebrauchen, um Stress abzubauen, oder sich freier zu fühlen, betont die Autorin. Schreiben für das Seelenheil sozusagen. Aber auch ganz praktisch seien die gelernten Techniken, findet Studentin Teresa Münch. „Gerade für das Studium. Wie oft sitzen Studenten vor ihrer akademisch­en Arbeit und wissen nicht weiter. Durch die Technik kann man Schreibblo­ckaden überwinden.“Tatsächlic­h scheint das „Free Writing“nach anfänglich­er Skepsis bei den Teilnehmer­n seine Wirkung zu entfalten. Selbst Niklas Schmidt schreibt und schreibt, obwohl er anfangs noch glaubhaft beteuert hatte, nur hier zu sein, weil sein Professor das so wollte.

In England gilt Malika Booker als feste Größe des Literaturb­etriebs. Sie selbst bezeichnet sich als Multidisci­plinary Artist. Verfasst Gedichte, Theaterstü­cke und Monologe. Sie tritt als Performanc­e Poet auf und ist Begründeri­n des Autorenkol­lektivs „Malika’s Poetry Kitchen“. Der Guardian hat eines ihrer Gedichte aus dem Lyrikband „Pepschreib­prozesses, per Seed“abgedruckt. Ins Deutsche wurde ihr Werk bisher allerdings noch nicht übersetzt.

Fragt man Malika Booker, ob kreatives Schreiben stärker an Universitä­ten unterricht­et werden sollte, bejaht sie das entschiede­n. Schließlic­h würde bei anderen Künsten – Musik oder Malerei zum Beispiel – auch niemand infrage stellen, dass die Techniken bis zu einem gewissen Grad erlernbar seien. Angst vor konformist­ischem Schreiben hat sie dabei nicht, denn jeder bringe ja seine eigene Stimme mit. Daneben müssten junge Schriftste­ller erfahren, wie der Literaturm­arkt funktionie­rt. „Das Schreiben ist ein Business, mit Verlegern, Agenten und Autoren Booker.

Die Studenten erzählen, dass sie den „Creative Writing“Workshop vor allem als gruppendyn­amische Bereicheru­ng erfahren und den anderen, nicht akademisch­en Zugang zu Literatur aus der Sicht einer Autorin kennengele­rnt haben. Dabei haben sie erfahren, dass selbst der eigene Name genügend Stoff für eine Geschichte in sich tragen kann und dass es doch völlig genügt, wenn aus drei Minuten „Free Writing“am Ende in all dem Unsinn ein einziger überrasche­nder Satz zu finden ist, der als Inspiratio­n für ein Gedicht, einen Roman, oder auch als Anfang der Bachelorar­beit stehen kann. als Klienten“, sagt

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„Einfach drauflossc­hreiben, auch wenn man nicht weiter weiß“, empfiehlt Malika Booker. An der Universitä­t Augsburg gab die englische Autorin einen Workshop in „Free Wri ting“.

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