Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wie ein mutmaßlicher Racheakt missglückte
Justiz Ein 57-Jähriger muss nach einem Notruf seiner Lebensgefährtin eine Woche in einer psychiatrischen Einrichtung verbringen. Wenig später steht die Polizei vor der Tür der Frau. Und ein paar Monate später steht der Mann vor Gericht
Es gibt ja viele kluge und auch weniger kluge Sätze zur Rache an sich. „Wie du mir, so ich dir“, das soll angeblich vom lateinischen Dichter Ovid stammen. „Rache ist keine Zierde für eine große Seele“, fand hingegen Lessing. Wie auch immer: Unstrittig ist, dass es demjenigen, der Rache übt, danach nicht unbedingt besser gehen muss. Und manche dafür sogar ins Gefängnis gehen.
Ein 57-jähriger Mann, der nun im Augsburger Amtsgericht auf der Anklagebank saß, wollte offenbar Rache üben, und zwar, weil seine damalige Lebensgefährtin seine Einweisung in eine psychiatrische Einrichtung veranlasst hatte. Laut Anklage hatte er daher Ende Oktober 2016 eine Idee: Er wollte, dass nunmehr die Lebensgefährtin zwangseingewiesen wird, und zwar ins selbe Krankenhaus wie er zuvor. Mitten in der Nacht, um 3.22 Uhr, wählte er den Notruf und berichtete wohl zunächst unter falschem Namen, die Frau habe möglicherweise suizidale Absichten. Eine Streife der Polizei eilte zu ihrer Wohnung und klingelte die Frau aus dem Bett. Völlig umsonst, wie einer der Beamten im Gerichtssaal schilderte. Es habe keine Anzeichen gegeben, dass sie sich etwas antun wolle oder auch nur niedergeschlagen sei: „Sie war einigermaßen verdutzt.“Was folgte, war keine Einweisung der Frau ins Krankenhaus, sondern letztlich eine Anklage gegen den 57-Jährigen wegen Missbrauchs von Notrufen.
Es war nicht das einzige Delikt, für das sich der Mann verantworten musste. Im März 2016 hatte er in einer Tankstelle zwei Sektflaschen mitgehen lassen, im Januar 2017 soll er Waren im Wert von 90 Euro aus einem Supermarkt gestohlen haben. Außerdem war er zweimal beim Schwarzfahren erwischt worden.
Der Angeklagte berichtete, als Selbstständiger leide er noch heute finanziell darunter, dass er im Oktober eine Woche in der Klinik habe verbringen müssen. Eine Unterbringung, die er ungerechtfertigt fand, wie er deutlich machte. Den Sektdiebstahl räumte er ein, die anderen Delikte, die ihm Staatsanwalt Martin Neumann vorwarf, nicht. Der falsche Notruf etwa? Sei keiner gewesen. Ein gemeinsamer Bekannter von ihm und seiner damaligen Lebensgefährtin habe ihm gesagt, die Frau werde sich womöglich etwas antun, sollte er sie verlassen, darum habe er den Notruf gewählt. Auch wenn er sie zu dem Zeitpunkt nicht verlassen wollte. Der Diebstahl im Supermarkt? Er habe den vollen Einkaufswagen kurz am Eingang stehen lassen, um noch beim Bäcker etwas zu kaufen, und danach Symbolfoto: Alexander Kaya zahlen wollen. Die Zeugen schilderten die Lage anders. Zum Beispiel der gemeinsame Bekannte. Niemals, sagte er, habe ihm die ehemalige Lebensgefährtin des Angeklagten berichtet, sie wolle sich vielleicht etwas antun. Er habe das auch nicht behauptet. Eine Supermarktangestellte sagte, der Angeklagte habe nicht bezahlt und am Eingang rausgewollt, wo sich die Tür nur öffnet, wenn sich Kunden von außen nähern. Die Bäckerei, die der Angeklagte im Prozess erwähnte, sei auch woanders, in der Nähe des Ausgangs. Die ehemalige Lebensgefährtin
Mehrfach vorbestraft
des Mannes erzählte, wie sie Anfang Oktober den Notruf haben wählen müssen, weil der 57-Jährige ausgerastet sei. Als ein paar Wochen später die Polizei vor ihrer Tür stand und sie aus dem Tiefschlaf riss, sei sie „zu Tode erschrocken“gewesen und habe sofort daran gedacht, dass der Angeklagte dahinterstecke. Suizidgedanken habe sie nie gehabt.
Richter Ralf Hirmer sah alle angeklagten Straftaten als erwiesen an und verurteilte den Angeklagten zu einer Haftstrafe von zehn Monaten ohne Bewährung. Der 57-Jährige ist mehrfach vorbestraft und stand zu den Tatzeitpunkten unter offener Bewährung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.