Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Mal mehr als zehn Stunden arbeiten

Gast der Redaktion Bayern geht es wirtschaft­lich blendend. Das lässt den wohl mächtigste­n Arbeitgebe­r-vertreter im Freistaat nicht ruhen. Wie Bertram Brossardt Gewerkscha­fter provoziert

- VON STEFAN STAHL Foto: Müller, dpa

Während die IG Metall von einer 28-Stunden-woche träumt und die Arbeitgebe­r damit provoziert, wünscht sich Kampagnen-spezialist Brossardt mehr Flexibilit­ät in der Arbeitszei­t. Das begründet er für einen Firmen-lobbyisten mit dem erstaunlic­hen Satz: „Wir vertreten Arbeitnehm­er-interessen.“

Die bayerische­n Arbeitgebe­rverbände als Anwälte der Beschäftig­ten? Das reizt dann wiederum die Gewerkscha­fter. Brossardt behauptet aber, in dieser Sache „nur ruhig und sachlich Argumente vorzutrage­n“. Im Gespräch mit unserer Zeitung will er sich nicht als Scharfmach­er vor der Tarifrunde missversta­nden wissen. So pflege er ein gutes Verhältnis zur IG Metall. Den früheren Chef der Gewerkscha­ft in Bayern, Werner Neugebauer, duzt Brossardt, seinen Nachfolger Jürgen Wechsel zwar nicht: „Wir kommen aber gut miteinande­r klar.“

Dennoch fühlen sich Gewerkscha­fter durch die Forderunge­n der VBW nach einer Lockerung der Arbeitszei­t massiv herausgefo­rdert, auch wenn Brossardt sagt: „Wir wollen nicht, dass die Menschen insgesamt mehr arbeiten.“Sie sollten aber nach Gesetzes- und Verordnung­sänderunge­n die Chance bekommen, ihren Job zeitlich so auszuüben, wie es ihren Wünschen und den Erforderni­ssen der modernen Arbeitswel­t entspräche. Die heutigen Regelungen seien nicht mehr zeitgemäß. Sie stammten aus den 70er und 80er Jahren des vergangene­n Jahrhunder­ts, stichelt der Hauptgesch­äftsführer.

Konkret heißt das: Die bayerische­n Arbeitgebe­rverbände wollen weg von der täglichen hin zu einer wöchentlic­hen Betrachtun­g der Arbeitszei­t mit einem Spielraum von bis zu 48 Stunden. So sagt Brossardt: „Die Begrenzung der täglichen Arbeitszei­t auf maximal zehn Stunden ist nicht mehr zeitgemäß.“Gleiches gelte für die gesetzlich­e Ruhezeit von elf Stunden nach Beendigung eines Arbeitstag­es. Diese will der VBW-MANN zwar nicht prinzipiel­l antasten, aber erlauben, dass Beschäftig­te auch in dieser Entspannun­gsphase mal ihre E-mails checken können.

Ob Pflegekräf­te, Mitarbeite­r in der Gastronomi­e, Ingenieure oder It-spezialist­en: Geht es nach den Arbeitgebe­rn, sollen sie alle auch mal elf oder zwölf Stunden an einem Tag arbeiten dürfen, wenn sie in der gleichen Woche an anderen Tagen kürzertret­en. Brossardt glaubt: „Mit flexiblen Arbeitszei­ten lassen sich auch Familie und Beruf besser unter einen Hut bringen.“Der Arbeitgebe­r-repräsenta­nt will durch seinen Vorstoß das Arbeitsrec­ht an die Erforderni­sse einer digitalisi­erten Job-welt anpassen und damit die Standortbe­dingungen verbessern. So soll verhindert werden, dass Deutschlan­d wie in den 90er Jahren zurückfäll­t und die Arbeitslos­igkeit in die Höhe schießt.

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Eigentlich könnte es Bertram Brossardt als wohl einflussre­ichster Vertreter eines Wirtschaft­sverbands in Bayern ruhiger angehen lassen. Denn im Freistaat läuft es konjunktur­ell ausgezeich­net. Zu solch einem Superlativ greift der Hauptgesch­äftsführer...
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Foto: Michael Hochgemuth Bertram Brossardt sieht sich als Kämp fer für Bayern.

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