Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Enchilada Kellner wird an den Pranger gestellt

Internet Über eine Online-plattform wird bekannt, dass er Frauen gerne mal seine Telefonnum­mer gibt. Bald kennen alle seinen Namen

- VON JAKOB STADLER

Ja, es stimme schon, er schreibe seine Nummer schon mal auf die Rechnung einer jungen Frau. „Flirten gehört zu meinem Job“, sagt Fabian Brinkmann. Doch, da wird der 26-jährige Kellner des Enchilada in Augsburg deutlich: Das mit der Nummer passiere nicht so oft, wie man denken könnte, wenn man zuletzt eine Diskussion in der App Jodel verfolgte. „Wenn man das liest, denkt man ja, das wären Hunderte gewesen.“

Der Reihe nach: Die App Jodel ist bei Studenten beliebt. Dort kann jeder Mitteilung­en veröffentl­ichen, die nur die Menschen sehen, die sich in der gleichen Stadt aufhalten. Andere können diese durch Abstimmung nach oben oder unten wandern lassen und kommentier­en. Ohne Anmeldung. Weil es keine Profile gibt, ist die App anonym. Manchmal ist Jodel ein richtig soziales Netzwerk. In Mainz etwa hat ein Nutzer eine Spendenakt­ion für einen Obdachlose­n gestartet. In Passau bat eine Nutzerin um Hilfe bei der Suche nach einem verlorenen Usb-stick, auf dem sich ein Video für die Beerdigung ihres Vaters befand. Sie bekam ihn wieder.

Nicht nur die Verfasser einer Nachricht sollten auf Jodel anonym sein. Wenn in einem Post – so heißen dort die veröffentl­ichten Nachrichte­n – Persönlich­keitsrecht­e verletzt werden, wird ein Beitrag schnell gelöscht. In Augsburg hat es nicht geklappt, die Anonymität von Fabian Brinkmann zu wahren. „Am Anfang war ich total schockiert“, sagt der 26-Jährige. Der Post, mit dem es angefangen hatte, wurde später aber gelöscht. Eine Nutzerin schrieb, der Kellner im Enchilada Augsburg habe ihr seine Telefonnum­mer auf die Rechnung geschriebe­n. Der sei zwar süß, aber sie habe einen Freund. Sie fragte, wie sie nun reagieren sollte. Die Antworten gingen in eine andere Richtung. Mehrere Nutzerinne­n erklärten: Sie kennen die Masche – und den Kellner. Das habe er bei ihnen auch gemacht. Fabian Brinkmanns Name wurde veröffentl­icht – ein Verstoß gegen die Richtlinie­n.

Die Firma der Jodel-app erklärt, Brinkmanns Name wurde 20 Minuten nach Nennung und fünf Minuten nach Meldung gelöscht. Es sei unmöglich, Beiträge zu kontrollie­ren, die nicht gemeldet wurden. Deshalb appelliert die Firma an die Nutzer, auf solche Fälle aufmerksam zu machen. Denn zur Nummer auf der Rechnung behauptete­n immer mehr Nutzer, ihnen sei das auch passiert. User schimpften über den Kellner des Enchilada (kurz: Enchi), andere gratuliert­en ihm, weil er so erfolgreic­h war.

Brinkmann selbst hatte die Jodelapp bis Freitag nicht installier­t. Freunde machten ihn darauf aufmerksam, was über ihn geschriebe­n wird. Wie viele sich dort zu Wort meldeten, überrascht­e ihn. „Ich weiß ja, was ich getan habe. Und wie viele da etwas schreiben könnten“, erklärt er. Er meldete sich bei ein paar Bekannten, die über diesen Weg seine Nummer bekommen hatten. „Ich hab mit einigen das Gespräch gesucht“, erklärt er.

Michael Johann von der Uni Passau hat die App Jodel erforscht. Er erklärt, dass der Augsburger Fall untypisch sei. Normalerwe­ise melde die Gemeinscha­ft Verletzung­en der Richtlinie­n schnell oder bewerte diese schlecht, sodass sie gelöscht werden. „In diesem Fall ist es ausgeartet“, sagt Johann. Dass hier Kommentare nicht gemeldet wurden, könnte am Thema liegen. „Ein Thema, bei dem die Leute wissen wollten: Wie geht es weiter?“Johann gibt zu bedenken: „Die Nutzer sind sich bewusst, dass das, was auf Jodel steht, unwahr sein kann.“Die meisten wollen durch die App unterhalte­n werden. „Eine Lüge, die unterhält, nimmt man vielleicht in Kauf.“

Manchmal kann das Folgen haben. Denn ein Problem gab es für Brinkmann noch: Viele Nutzer verabredet­en über die App, am Abend ins Enchilada zu kommen. „Aus dem Grund habe ich meinen Chef angerufen und ihn aufgeklärt“, sagt der 26-Jährige. „Ich kann von Glück reden, dass mein Chef so loyal ist.“Und am Ende passierte … nichts. Nur ein Tisch mit drei Gästen hätte gefragt, wer denn der Kollege sei, über den Jodel spreche.

Was Brinkmann aushalten musste, war der Spott von Freunden. „Ich wurde erstmal ziemlich ausgelacht“, sagt er. „Und gefragt: Wie viele Frauen waren es denn?“Aber auch seine Freunde hätten die ganze Sache mit Humor genommen. „Am Ende ist alles gut gegangen.“

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Foto: Hugo Hügel Kellner Fabian Brinkmann nimmt die Sa che mit Humor.

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