Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Sommer, Sonne, Schlittenfahrt
Allgäu Rodeln geht auch ohne Schnee: die schönsten Sommerrodelbahnen in der Region – und Fahrtipps eines Profis
Rodeln geht nur im Winter? Stimmt nicht. In Deutschland gibt es mehr als 100 Sommerrodelbahnen. Bis zu 40 km/h sind möglich. „Allerdings erfordert dieses Tempo schon Respekt“, sagt Andrea Bohl. Sie arbeitet für den Hersteller Wiegand in Rasdorf, der die beiden meistgenutzten Systeme anbietet: die Wannenbahn, in der die Schlitten in einer Edelstahlwanne zu Tal gleiten, und den schienengeführten Alpine Coaster. Bei beiden Varianten bestimmen die Hobbypiloten mittels Bremse selbst die Geschwindigkeit.
Selbst ein echter Rennrodler, der im Winter mit mehr als 100 Sachen den Eiskanal hinunterrast, hat Respekt vorm Sommerrodeln. „Das ist nicht ohne und kann schon anspruchsvoll sein“, sagt Julian von Schleinitz, dreimaliger Juniorenweltmeister im Einsitzer aus Schönau am Königssee. Schon wenige Stundenkilometer mehr oder weniger könnten einen großen Unterschied bedeuten. Der Rennrodler erklärt: „Die Zentrifugalkraft drängt die Fahrer in der Kurve nach außen und oben und wächst quadratisch mit der Geschwindigkeit.“Von Schleinitz rät daher, sich „nach innen in die Kurven zu legen“und die auf Sommerrodelbahnen vorhandene Bremse einzusetzen: „So kann man sich ans schnellere Fahren herantasten und bekommt ein Gefühl für den Schlitten.“
Noch eine Rodlerweisheit des Profis: Auf ein mittelmäßiges Niveau kommt man rasch, aber wer mehr Gas gibt, ist ganz schnell am Limit. Außerdem weiß von Schleinitz: „Über schönes, gleichmäßiges Fahren kommt man eher auf eine gute Zeit als im Hau-ruck-verfahren.“Und wer es bei aller Vorsicht doch ein klein wenig schneller mag, dem rät der Spitzensportler, sich kleinzumachen. „Die Aerodynamik spielt beim Rodeln eine sehr große Rolle.“
Wichtig: Sicherheit an den Bahnen ist oberstes Gebot. Immer gilt: Benutzungshinweise am Kassenbereich und an der Bahn beachten. Grundsätzlich dürfen Kinder unter drei Jahren nicht auf die Bahn, erklärt Andrea Bohl von Wiegand. Drei- bis Achtjährige sind nur in Begleitung einer erwachsenen Person im Schlitten erlaubt. Warnschilder wie „Achtung Kurve – Bremsen“sollte man ernst nehmen. Bei einem Unfall die Bahn sofort verlassen und die folgenden Fahrer war- nen, rät Sicherheitsexperte Klaus Simon vom TÜV Rheinland. Die meisten Unfälle werden durch zu nahes Auffahren verursacht. Mindestens 25 Meter Abstand sollten es sein. Auch wichtig: Lose Gegenstände oder lange Schnüre an der Kleidung können sich im Schlitten verfangen und gefährlich werden.
Die längsten Sommerrodelbahnen in Deutschland sind die Alpine Coaster am Hasenhorn in Todtnau im Südschwarzwald und in Immenstadt im Allgäu mit je knapp drei Kilometern Länge. Der Unterschied beträgt nur wenige Meter. Die steilste Bahn ist der Alpine Coaster im oberbayerischen Oberammergau mit 20 Prozent Durchschnittsgefälle. Auf 400 Meter Höhendifferenz sind 73 Kurven, neun „Jumps“und sieben sogenannte Wellen mit einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 40 km/h zu durchfahren.
Quasi die Mutter aller Sommerrodelbahnen liegt auf der Wasserkuppe in der Rhön bei Gersfeld/ Hessen und ist 1975 in Betrieb genommen worden. Noch älter ist nur eine Bahn im nordrhein-westfälischen Ibbenbüren. Sie besteht seit 1926. Hier geht es auf echten Holzschlitten schienengeführt rund 100 Meter einen Berg hinunter.