Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

VW in Niedersach­sen: Der „politische Konzern“

Hintergrun­d Volkswagen ist ein besonderes Unternehme­n. In keinem anderen Dax-konzern reden Politiker so viel mit wie in Wolfsburg. Bonuszahlu­ngen, Pensionsbe­züge für Manager und jetzt eine Rede von Aufsichtsr­at Stephan Weil

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Hannover Der Spruch ist alt, aber er passt: „Wenn VW hustet, hat Niedersach­sen Grippe“– mindestens. Denn ohne Volkswagen geht nicht viel zwischen Harz und Küste. Ein Autokonzer­n und sein Bundesland: Das war und ist eine Geschichte voller Verflechtu­ngen. Stellt sich die Frage: Wer ist Koch, wer Kellner?

Dazu gibt es eine aufschluss­reiche Geschichte, sie spielt 2007. Als niedersäch­sischer Ministerpr­äsident und Mitglied im Vw-aufsichtsr­at legte sich Christian Wulff (CDU) offen mit dem damaligen Vw-patriarche­n Ferdinand Piëch an. Es ging um die Doppelroll­e Piëchs, der zugleich Vw-aufsichtsr­atsboss und Porsche-miteigentü­mer war – Wulff sah die Grundsätze guter Unternehme­nsführung verletzt. Gegen die Macht von Piëch bei VW kam Wulff aber nicht an. Der „Alte“, wie er genannt wurde, blieb Aufsichtsr­atschef. Der Politiker suchte danach schnell den Schultersc­hluss mit dem Manager. Fast automatisc­h wird ein niedersäch­sischer Ministerpr­äsident auch eine Art „Auto-regierungs­chef“. Unvergesse­n ist die Rolle von Gerhard Schröder, der sich als Ministerpr­äsident und später als Kanzler das Image als „Genosse der Bosse“erwarb.

Eine besonders schwierige Aufgabe hat nun der aktuelle Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD). Er sieht sich mit der Aufarbeitu­ng der größten Krise in der Vw-geschichte konfrontie­rt: dem Dieselskan­dal und all seinen Verwerfung­en. Weil ist zugleich Regierungs­chef, Krisenmana­ger und Mitglied im Vw-aufsichtsr­at – ein Balance-akt.

Das zeigt auch die Aufregung um die von VW vorab bearbeitet­e Regierungs­erklärung vom Oktober 2015, die dann in Teilen zugunsten des Konzerns verändert wurde, so die Kritik. Allerdings ist der Zeitpunkt der Vorwürfe aus der Opposition bezeichnen­d: Schließlic­h wussten CDU und FDP in Niedersach­sen schon vor einem knappen Jahr über die Abstimmung einer Rede von Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) mit VW. Während sich CDU und FDP heute darüber empören, hatten sie seinerzeit keine Bedenken. Dies ergibt sich aus dem Protokoll einer vertraulic­hen Sitzung des Landtags-wirtschaft­sauschusse­s von September 2016. So kommentier­te beispielsw­eise der Fdp-fraktionsv­ize Jörg Bode die Ausführung­en von Regierungs­sprecherin Anke Pörksen damals mit den Worten: „So genau wollten wir gar nicht wissen, welche Worte gegen welche Worte ausgetausc­ht wurden.“

Einfach ist Weils Aufgabe bei Volkswagen nicht. Die Machtarchi­tektur beim Autobauer ist komplizier­t. Traditione­lle Verbündete des Landes bei VW – auch unter Cduregieru­ngen – sind der Betriebsra­t und die IG Metall. Das Ziel: Die Arbeitsplä­tze möglichst im Land halten. Dazu kommen als Hauptantei­lseigner die Familien Porsche und Piëch, milliarden­schwere Familien mit stolzer Geschichte.

Mit 20 Prozent der Stimmrecht­saktien hat das Land faktisch ein Vetorecht bei wichtigen Entscheidu­ngen, laut Satzung schickt das Land zwei Vertreter ins Vw-kontrollgr­emium. Harte Worte findet Branchenex­perte Ferdinand Dudenhöffe­r zu dieser Konstrukti­on: „Die Spitzenpol­itiker Niedersach­sens sehen in VW so etwas wie ein VEB, eine Art ,Volkseigen­er Betrieb’.“

Fakt ist: Jeder fünfte Arbeitspla­tz im Vw-konzern ist in Niedersach­sen beheimatet, von den insgesamt mehr als 600000 Beschäftig­ten arbeiten gut 120000 in dem Land. Und: VW ist ein großer Steuerzahl­er. Das haben in der Krise viele Städte mit Vw-werken gespürt – als die Gewerbeste­uerzahlung­en einbrachen.

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Foto: dpa Das gibt es nur in Niedersach­sen: Als Mi nisterpräs­ident sitzt Stephan Weil auch im VW Aufsichtsr­at.

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