Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Verlassene Dörfer, die eine Zukunft gefunden haben

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Blumen blühen vor den Fensterläd­en, Menschen lachen am Picknickti­sch vor einem uralten Steinhaus, Kinder spielen Fangen. Ganz klar: Portico di Romagna, auf halbem Weg zwischen Florenz und Rimini, ist ein lebendi ges Dorf. Das war nicht immer so. Noch vor wenigen Jahren waren viele Fensterläd­en verschloss­en. Doch dann hatten die Bewohner eine Idee, um den Ort wieder mit Leben zu füllen: Sie boten Touristen an, Urlaub in ihrer Mitte zu machen und teilzuhabe­n am Dorfalltag. Seitdem entwickelt sich auch das Gemeinscha­ftsleben wieder trefflich: Es gibt einen Geigenbaue­r, dem man bei der Arbeit zusehen kann, einen Schmied und einen Trüffelsu cher, der die Gäste mitnimmt auf die schmackhaf­te Suche. Herz des et was anderen Feriendorf­s ist der Vecchio Convento, ein ehemaliges Kloster, das heute gleichzeit­ig Restaurant ist und Rezeption für ein Hotel, dessen Zimmer quer durchs Dorf verteilt sind.

» info www.vecchiocon­vento.it/de Gäste wohnen zwischen Einheimisc­hen und haben trotzdem Hotelservi­ce. Das ist die Idee der Alberghi Diffusi (wörtlich: verstreute Hotels). So hei ßen solche Urlaubsqua­rtiere in Italien. Inzwischen gibt es mehr als 50 von ihnen. Sie alle verfolgen das gleiche Ziel: Dörfer wieder lebendig zu ma chen und Urlaubern etwas vom Alltag und Lebensstil vor Ort mitzugeben. Gastfreund­schaft wird ganz neu dekli niert. Die restaurier­ten Höhlen in den berühmten „Sassi“von Matera sind genauso darunter wie die Trulli, steinerne Zipfelmütz­endörfer in Apu lien. Mittlerwei­le gibt es auch eine Vereinigun­g dieser Dörfer, die „Asso ciazione degli Alberghi Diffusi“. Sie wacht über die gemeinsame­n Regeln – vorhanden sein sollten ein histori scher Kern und eine Dorfgemein­schaft.

» info www.vecchiocon­vento.it/de Aber was tun, wenn das Dorf bereits verlassen ist? Diese Frage stellte sich der Sizilianer Salvatore Romano, als er nach einem erfolgreic­hen Be rufsleben zurückkam in seinen Ge burtsort Graniti im grünen Alcanta ratal. Nach und nach begann er mit seiner deutschen Frau Karin Meier, die verlassene­n Dorfhäuser 20 Kilome ter landeinwär­ts von Taormina im originalen Stil zu renovieren und an Fe riengäste zu vermieten. So sind die alten Gassen zumindest während der Ferienmona­te belebt. Mehr noch: Das kunstsinni­ge Paar lädt regelmäßig Künstler ein, eine Weile bei ihnen zu leben und zu arbeiten. Und wenn im Oktober die Olivenbäum­e reif für die Ernte sind, finden sich immer häufiger auch Urlaubsgäs­te, die an einem ganz speziellen Pauschalan­gebot teil nehmen: eine Woche lang täglich von acht bis 14 Uhr die Bäume wie frü her von Hand zu pflücken. » info www.vitasicula.com Ohne Sponsoren ist so eine Dorf Ret tung kaum möglich. Das gilt auch für das pittoreske Dörfchen Montegri dolfo, das eine halbe Autostunde landeinwär­ts der Strände des populä ren Badeorts Cattolica zu finden ist. In den 1990er Jahren suchte die Mode designerin Alberta Ferretti eigentlich nur ein Ferienhaus. Doch dann verlieb te sie sich gleich in das ganze Dörf chen. Längst hat sie es mithilfe einiger solventer Freunde komplett restau riert – samt Stadtmauer, Kirche und dem stilvollen Hotel Palazzo Viviani. Dessen Zimmer sind bis auf wenige in klassische­r Albergo Diffuso Art über den ganzen Ort verstreut. Und wer dann von der stimmungsv­ollen Ta verne nach einer himmlische­n Portion Tagliatell­e al Raguù zur schick res taurierten „eigenen“Wohnung heim kehrt und vorbei läuft an üppigen Granatapfe­lbäumen, kleinen Läden und sogar einer Eisdiele, der könnte sich fast selbst wie ein Retter des italie nischen Landlebens fühlen. » info www.palazzoviv­iani.com

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