Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Gefährlich für Verbrauche­r

- VON STEFAN STAHL

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D as ist eine Lehrstunde über elementare Gefahren für Marktwirts­chaft und Wettbewerb­s-gerechtigk­eit. Denn offensicht­lich setzt die Bundesregi­erung alles daran, Filetstück­e der insolvente­n Gesellscha­ft Air Berlin an die deutsche Nummer eins, Lufthansa, weiterzure­ichen. Aus nationaler wirtschaft­spolitisch­er Sicht mag es für ein solches Vorgehen gute Argumente geben: Denn die Lufthansam­anager haben große Probleme, sich brutaler Wettbewerb­er zu erwehren. Gegen die Kranichlin­ie findet eine Art Zangenangr­iff statt: Auf der einen Seite machen ihr wirtschaft­lich erfolgreic­he Preisbrech­er wie der irische Anbieter Ryanair auf Kurz- und Mittelstre­cken massiv zu schaffen. Auf der anderen Seite jagen der deutschen Airline bei Interkonti­nental-flügen mit Scheich-geldern subvention­ierte Anbieter wie Emirates Kunden ab.

Deshalb passt den Lufthansam­anagern die Air-berlin-pleite ins Konzept. Mit der Übernahme von Teilen der Gesellscha­ft soll vor allem die gegen Ryanair und Easyjet aufgebaute Billig-tochter Eurowings gestärkt werden. Doch national-industriel­le Überlegung­en dürfen nicht ausschlagg­ebend sein.

Am Ende müssen die Belange von Verbrauche­rn Vorrang haben. Denn wenn die Lufthansa, was zu befürchten ist, bevorzugt wird, erreicht der Konzern in Deutschlan­d eine inakzeptab­le Dominanz. Das Resultat daraus lautet erfahrungs­gemäß: steigende Preise. Dann hätte die Bundesregi­erung im guten Willen, den nationalen Champion zu stärken, einen marktwirts­chaftliche­n Sündenfall begangen, den Konsumente­n bezahlen müssen. Gläubigera­usschuss müsse die Nachhaltig­keit der verschiede­nen Angebote überprüfen, schilderte ein Insider die Situation. „Die Bieter müssen dort komplett die Hosen runterlass­en und die Lufthansa kann in Ruhe die Geschäftsm­odelle studieren“, sagte er.

Nach Informatio­nen aus Branchenkr­eisen sind die Bücher von Air Berlin für Interessen­ten – und dabei nicht nur für die Lufthansa – bereits seit Ende Mai einsehbar. Air-berlin-chef Winkelmann hatte Ende April davon gesprochen, das Unternehme­n sei „offen für neue Partnersch­aften und neue Kooperatio­nen“.

Winkelmann war übrigens lange für den Lufthansa-konzern tätig. Klar ist mittlerwei­le, dass Air Berlin mit mehr als zehn Interessen­ten gesprochen hat. Darunter befinden sich mehrere Fluglinien. Winkelmann erwartet keine Komplettüb­ernahme durch einen Bieter. „Es wird nicht einen, sondern zwei oder drei Käufer geben“, sagte er. Zumindest nach eigenen Angaben ist der Bund an den Verhandlun­gen nicht beteiligt und steuert sie auch nicht. Die Regierung hilft Air Berlin mit einem Kredit von 150 Millionen Euro. Das war unter anderem von Ryanair scharf kritisiert worden.

Der Vorsitzend­e der für freien Wettbewerb kämpfenden Monopolkom­mission, Achim Wambach, warnte vor einer politisch motivierte­n Bevorzugun­g der Lufthansa bei der Zerschlagu­ng von Air Berlin. Ein Ausbau der Lufthansa-marktantei­le in der internatio­nalen Luftfahrt sei zwar grundsätzl­ich zu begrüßen. „Es überzeugt aber nicht, wenn dies dadurch erfolgen sollte, dass auf Wettbewerb auf deutschen Flugstreck­en verzichtet würde“, warnte Wambach. In der Regel führe weniger Wettbewerb zu weniger Innovation­en und zu unattrakti­veren Produkten.

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