Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Gefährlich für Verbraucher
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D as ist eine Lehrstunde über elementare Gefahren für Marktwirtschaft und Wettbewerbs-gerechtigkeit. Denn offensichtlich setzt die Bundesregierung alles daran, Filetstücke der insolventen Gesellschaft Air Berlin an die deutsche Nummer eins, Lufthansa, weiterzureichen. Aus nationaler wirtschaftspolitischer Sicht mag es für ein solches Vorgehen gute Argumente geben: Denn die Lufthansamanager haben große Probleme, sich brutaler Wettbewerber zu erwehren. Gegen die Kranichlinie findet eine Art Zangenangriff statt: Auf der einen Seite machen ihr wirtschaftlich erfolgreiche Preisbrecher wie der irische Anbieter Ryanair auf Kurz- und Mittelstrecken massiv zu schaffen. Auf der anderen Seite jagen der deutschen Airline bei Interkontinental-flügen mit Scheich-geldern subventionierte Anbieter wie Emirates Kunden ab.
Deshalb passt den Lufthansamanagern die Air-berlin-pleite ins Konzept. Mit der Übernahme von Teilen der Gesellschaft soll vor allem die gegen Ryanair und Easyjet aufgebaute Billig-tochter Eurowings gestärkt werden. Doch national-industrielle Überlegungen dürfen nicht ausschlaggebend sein.
Am Ende müssen die Belange von Verbrauchern Vorrang haben. Denn wenn die Lufthansa, was zu befürchten ist, bevorzugt wird, erreicht der Konzern in Deutschland eine inakzeptable Dominanz. Das Resultat daraus lautet erfahrungsgemäß: steigende Preise. Dann hätte die Bundesregierung im guten Willen, den nationalen Champion zu stärken, einen marktwirtschaftlichen Sündenfall begangen, den Konsumenten bezahlen müssen. Gläubigerausschuss müsse die Nachhaltigkeit der verschiedenen Angebote überprüfen, schilderte ein Insider die Situation. „Die Bieter müssen dort komplett die Hosen runterlassen und die Lufthansa kann in Ruhe die Geschäftsmodelle studieren“, sagte er.
Nach Informationen aus Branchenkreisen sind die Bücher von Air Berlin für Interessenten – und dabei nicht nur für die Lufthansa – bereits seit Ende Mai einsehbar. Air-berlin-chef Winkelmann hatte Ende April davon gesprochen, das Unternehmen sei „offen für neue Partnerschaften und neue Kooperationen“.
Winkelmann war übrigens lange für den Lufthansa-konzern tätig. Klar ist mittlerweile, dass Air Berlin mit mehr als zehn Interessenten gesprochen hat. Darunter befinden sich mehrere Fluglinien. Winkelmann erwartet keine Komplettübernahme durch einen Bieter. „Es wird nicht einen, sondern zwei oder drei Käufer geben“, sagte er. Zumindest nach eigenen Angaben ist der Bund an den Verhandlungen nicht beteiligt und steuert sie auch nicht. Die Regierung hilft Air Berlin mit einem Kredit von 150 Millionen Euro. Das war unter anderem von Ryanair scharf kritisiert worden.
Der Vorsitzende der für freien Wettbewerb kämpfenden Monopolkommission, Achim Wambach, warnte vor einer politisch motivierten Bevorzugung der Lufthansa bei der Zerschlagung von Air Berlin. Ein Ausbau der Lufthansa-marktanteile in der internationalen Luftfahrt sei zwar grundsätzlich zu begrüßen. „Es überzeugt aber nicht, wenn dies dadurch erfolgen sollte, dass auf Wettbewerb auf deutschen Flugstrecken verzichtet würde“, warnte Wambach. In der Regel führe weniger Wettbewerb zu weniger Innovationen und zu unattraktiveren Produkten.