Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wenn Fotomotive den Tagesablauf bestimmen
Besonders dann, wenn die Umgebung von Extremen geprägt ist, fühlt sich Michael Martin wohl. Egal ob Sand- oder Eiswüsten – der 54-Jährige kennt sie alle. Ein Gepäckstück packt er auf Expeditionen immer ein
Gersthofen An den einen Moment, der sein Leben veränderte, erinnert sich Michael Martin genau: Mit siebzehn Jahren brach er mit einem Freund auf, um an den Rand der Sahara zu fahren. Von Gersthofen aus ging es auf einem Mofa mit Fernrohren im Gepäck in den Süden Marrokos, um den Südsternhimmel zu beobachten. Martin stand am Erg Chebbi, einer durch Wind geformten Dünenlandschaft, und war völlig fasziniert von der Weite der Trockenwüste – es war um ihn geschehen. Seitdem lassen ihn die Wüsten der Erde nicht mehr los.
Der Trip ins Ungewisse sollte die erste von insgesamt 60 Reisen in die Sahara sein und Beginn einer großen Leidenschaft und erfolgreichen beruflichen Laufbahn als Abenteurer, Fotograf und Vortragsreisender. Mittlerweile sind 36 Jahre vergangen und über 200 Wüstenreisen liegen hinter dem 54-Jährigen. Wer durch die Münchner Wohnung von Martin wandelt, findet keinen Hinweis auf seine Arbeit. Kein einziges Bild aus seinem unerschöpflichen Vorrat an Motiven aus jeder Ecke der Welt hängt an den Wänden. Dabei hat Martin einiges zu zeigen und zu erzählen. „Ich bin Bilder- und Geschichtensammler“, sagt er.
Weil sich die Sicherheitslage Anfang der 90er Jahre in Nordafrika zuspitzte, erkundete er auch die anderen Wüsten des Kontinents, später der ganzen Welt. In über 40 Expeditionen durchquerte er die Extremzonen des Globus: Egal ob Eiswüsten in Grönland oder den Nordpolargebieten, egal ob Antarktis oder die Trockenwüsten Gobi, Namib oder Atacama. „Ich kenne alle Wüsten der Erde“, sagt er. Statt Gegenständen bringt Martin Bilder und Geschichten aus der Ferne mit.
Wohin es geht, macht er abhängig von Land und Leuten. „Ich weiß selten am Morgen, wo und wie der Tag enden wird. Vielmehr bestimmen Motive und Licht den Tagesablauf“, erklärt er. Eine grobe Route hatte er bisher immer, einen festen Plan nie. Das Ergebnis der Extrem-reisen ist das Projekt „Planet Wüste“, das seit zwei Jahren als Multivisionsvortrag, Bildband, Tvserie und Ausstellung Fachwelt und Reiselustige begeistert.
Lange schon ist Martin nicht nur mit dem Mofa oder einem alten VW-BUS unterwegs, wie zu seinen Anfängen. Um an die abgelegenen Orte dieser Welt zu kommen, wechselt er oft das Gefährt: Motorrad, Hundeschlitten, Kamele, Helikopter oder Skier sind nur ein paar wenige seiner Transportarten. „Doch mit keinem Verkehrsmittel fühlte ich mich der Wüste so nah wie mit dem Motorrad“, betont er.
Eine kaum überblickbare Anzahl an Erfahrungen sammelte er auf diese Weise. Nunmehr 30 Bildbände und Bücher hat der 54-Jährige veröffentlicht, hielt mehr als 2000 Vorträge und produzierte mehrere Fernsehfilme. Nun hat Martin sein Spektrum erweitert und arbeitet aktuell an dem Fotoprojekt Planet Erde. „Das Projekt steht am absoluten Anfang, derzeit mache ich erste Reisen dafür“, schreibt er in einer Mail aus dem Amazonasbecken an unsere Zeitung. Folgen sollen in den nächsten Monaten und Jahren Touren durch Regenwälder, Savannen, Steppen, an Flüsse, Seen und Ozeane.
Das bedeutet für Martin: Umdenken, was ins Gepäck muss. Viele Reisen hat er mit dem bestritten, was in die zwei Aluboxen an seinem Motorrad passt. Meistens waren das bisher ein Kuppelzelt, Isomatte, Daunenschlafsack, Benzinkocher mit einfachem Kochgeschirr, Verbandszeug und Reiseapotheke sowie ein Gps-gerät und ein Satellitentelefon. Hinzu kommt ein kleiner Vorrat an Kaffee, Zucker, ein paar Flaschen Bier, Spaghetti, Pesto und 10 Liter Wasser. Außerdem Ersatzunterwäsche, leichte Schuhe und die Kleidung, die er am Leib trägt: Lederjacke, Nierengurt, Rückenschutz, Motorradstiefel, T-shirt und einen Fleece. Für eisige Regionen packt er zusätzlich Ersatzhandschuhe, -gesichtsmaske, -strümpfe, -unterwäsche und einen Daunenparka ein. Was bei keiner seiner Reisen fehle darf? Immer mit dabei ist die Kamera, für die ganz besonderen Momente. Mehr im Internet: http://www.michael martin.de/ Sommerserie In loser Folge stellen wir auf „Region Augsburg“Menschen vor, die im Urlaub keine Souvenirs sam meln, sondern Erlebnisse – und Ge schichten erzählen können. Wenn auch Sie Erinnerungen – also Alpenpässe, Kul turhauptstädte, Pilgerwege, Sonnenauf gänge oder was auch immer – sam meln, dann schreiben Sie uns: region@augsburger allgemeine.de