Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wo Wasser über Wasser fließt
Die Zirbelnuss-brücke ist ein magischer Ort und hilft bei der Spurensuche zur Machina augustana / Serie (46)
Augsburg Brücken sind Bauwerke, die verbinden. Brücken überspannen Flüsse und Täler, verbinden Länder und Menschen. Normalerweise. Brücken können aber auch trennen. In Augsburg trennt eine Brücke ein Wasser vom anderen. Sie heißt „Zirbelnusskanal-brücke“, 55 löst bei Betrachtern rätselhafte ein überraschtes Orte „Hoi?!“aus, und kann eine großartige Geschichte aus Augsburgs großer Geschichte erzählen.
Sie gehört zur Unesco-welterbebewerbung der historischen Wasserwirtschaft. 192 Kilometer Wasserläufe durchziehen die Stadt. Seit mehr als 500 Jahren sind Trinkwasser und Wasserkraft Quell für künstlerische wie technische Meisterwerke. Man denke an Wassertürme, Brunnen, Pumpen, Kanäle, Wasserwerke – und die berühmten Prachtbrunnen. Dahinter stecken unglaubliches Wissen, Erfindungsgeist und Können von Ingenieuren, Handwerkern, Baumeistern und Bildhauern. Wie also kam es zur Wasser-über-wasser-brücke?
Nun, neben den Wassertürmen am Roten Tor mit seiner berühmten Doppelwendeltreppe gab es noch ein „Unteres Wasserwerk“: Der Brunnenturm steht noch heute oben am Mauerberg und versorgte seit 1502 den Bischof und die ganze Domstadt mit Trinkwasser. Doch wie kam dieses dort hinauf, gut 33 (!) Meter über dem Stadtgraben?
Sieben übereineinander angeordnete, schneckenähnliche Archimedische Schrauben transportierten, von einem Wasserrad angetrieben, das saubere Wasser anfangs auf die halbe Turmhöhe. Beschrieben hat diese „Machina augustana“der Mailänder Arzt und Gelehrte Hieronymus Cardanus im Jahr 1554. Als der Ingenieur Georg von Reichenbach Anfang des 19. Jahrhunderts die Kapazität des Wasserwerks mittels vier Kolbenpumpen mehr als verdoppelt hatte, wurde auch der Zulauf verbessert: Anstelle der Holzbrücke entstand die gusseiserne Kanalbrücke, die seit 1848 das Treibwasser aus dem Inneren Stadtgraben über den Stadtbach hinweg führt. Bis heute, wenngleich das Wasserwerk nur bis 1897 in Betrieb blieb. Die Konstruktion stammt von einem Nachfahren Reichenbachs, Carl August Reichenbach. Der wiederum war als Mechaniker für Druckmaschinen und Schnellpressen nach Augsburg gekommen und übernahm mit seinem Schwager Carl Buz die Sander’sche Maschinenfabrik, die spätere MAN. Aber das ist eine andere Geschichte ...
Die Zirbelnuss-kanal-brücke ist 12,3 Meter lang und zwei Meter breit. Das Gerinne lagert auf sechs Stützpfeilern und ist Augsburgs letzte oberirdische Wasserkreuzung. Und die Brücke trägt das Symbol der Stadt. Nicht nur deshalb ist das kleine Industriedenkmal ein magischer Ort. Man muss sich nur einmal bei Sonnenschein vom glitzernden, in zwei Richtungen fließenden Wasser verzaubern lassen.