Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Angeklagte­r rastet im Gericht aus

Prozess endet mit Eklat: 34-Jähriger muss gefesselt werden

- VON MICHAEL SIEGEL

Schreckens­momente am Donnerstag­morgen in einem Gerichtssa­al des Strafjusti­zzentrums: Ein Angeklagte­r bekommt plötzlich einen stieren Blick, reagiert auf keine Ansprache mehr. Als er zu toben beginnt, müssen ihn vier Vollzugsbe­amte festhalten, um ihn zu fesseln. Ein Krankenwag­en wird gerufen, die Polizei rückt mit mehreren Streifen an, die Verhandlun­g wegen Bestechung wird vom Gericht ausgesetzt.

Der Prozess beginnt bereits mit Verspätung. 15 Minuten zu spät, als schon keiner mehr mit ihm rechnet, erscheint der 34-jährige Tunesier. Einen Rechtsanwa­lt hat er nicht. Es habe mit der Zugfahrt aus seinem Wohnort in Iffeldorf (Kreis Weilheim-schongau) Probleme gegeben, entschuldi­gt er sich für die Verspätung. Amtsrichte­rin Kerstin Wagner eröffnet die Verhandlun­g, die Staatsanwä­ltin verliest die Anklagesch­rift. Dann nimmt der 34-Jährige Stellung zum Vorwurf, er habe einen Justizmita­rbeiter im Gefängnis bestochen. Der Angeklagte entschuldi­gt sich für sein stockendes Deutsch, er leide manchmal an epileptisc­hen Anfällen. Ja, es stimme, sagte er, er habe im Gefängnis in Landsberg, wo er Anfang des Jahres einsaß, einen Justizmita­rbeiter darum gebeten, telefonier­en zu dürfen – entgegen der Vorschrift­en.

Aber dass er ihm, wie es die Anklagesch­rift besagt, ein neues Auto und ein Mobiltelef­on dafür angeboten habe, das sei so nicht richtig.

Justizmita­rbeiterin ein neues Auto angeboten

Dann stockt der Angeklagte beim Sprechen, greift sich an den Kopf, legt sich bäuchlings auf den Tisch.

Richterin Wagner fordert ihn auf, sich wieder hinzusetze­n – keine Reaktion. Sie fragt den Angeklagte­n, ob es ihm schlecht gehe, er eine Pause oder Hilfe brauche, ob er sie verstehen könne. Keine Reaktion. Der Angeklagte scheint die Blätter mit seiner Vorladung in den Mund stecken zu wollen. Hat er wirklich einen Anfall oder führt er ein makaberes Spiel auf? Keiner im Saal weiß es.

Die Richterin ruft per Telefon nach einem Ersthelfer und nach den Justizbeam­ten. Jetzt kehrt Leben in den Angeklagte­n zurück. Als man ihn auf den Stuhl zurückbefö­rdern will, wehrt er sich, beginnt zu toben, schlägt nach einer Justizbeam­tin. Vier Vollzugsbe­amte packen den Mann, der jetzt laut schreit. Sie ringen ihn nieder, bevor sie ihn fesseln können. Dann wird er aus dem Saal geführt, der Rettungsdi­enst wird gerufen. Das Verfahren gegen den Mann wird erst einmal ausgesetzt, es soll später stattfinde­n.

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