Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Das Martyrium einer jungen Afghanin

Ein Mann aus Afghanista­n soll seine Frau derart misshandel­t haben, dass sie den Entschluss fasste, sich und ihre beiden Kinder in der Wertach zu ertränken. Nun steht er vor Gericht. Die Vorwürfe gegen ihn sind umfangreic­h

- VON JAN KANDZORA

Am 18. Dezember des vergangene­n Jahres ging eine damals 23 Jahre alte Frau mit ihren beiden Kindern an die Wertach im Bereich der Äußeren Uferstraße in Oberhausen. Das Wasser war sehr kalt; einen Tag später ergab eine Messung der Polizei, dass die Temperatur bei 5,4 Grad Celsius lag. Die junge Afghanin war verzweifel­t.

Wie die Polizei später melden sollte, ging die Frau am Abend mit den Kindern in den Fluss und drückte sie unter das Wasser. Offenbar hatte sie vor, sich danach auch selbst zu töten. Als die Kinder aber immer wieder auftauchte­n, habe die Mutter von ihrem Vorhaben abgelassen, sagte ein Polizeispr­echer damals. Die Frau suchte Hilfe bei Anwohnern, die sofort die Rettungskr­äfte verständig­ten. Die Kinder, zu der Zeit ein und vier Jahre alt, waren zwar stark unterkühlt und kamen ins Klinikum. Doch sie überlebten.

Vor der Dritten Strafkamme­r des Landgerich­tes unter Vorsitz von Richter Roland Christiani läuft seit Donnerstag ein Prozess, der sich zumindest am Rande um diesen Vorfall dreht. Auf der Anklageban­k sitzt ein 23 Jahre alter Mann, ebenfalls Afghane: Er ist der Ehemann der Frau. Die Staatsanwa­ltschaft geht davon aus, dass die Frau in der Ehe mit ihrem Mann ein regelrecht­es Martyrium erlitten hatte, das sie erst zu ihrem Vorhaben trieb. Gegenüber den Polizeibea­mten sagte die Frau damals, dass sie schon seit längerer Zeit immer wieder von ihrem Mann misshandel­t worden sei. Gegen ihn wurde ein Tag später Haftbefehl erlassen. Seitdem sitzt er in Untersuchu­ngshaft.

Die Vorwürfe, die Staatsanwä­ltin Kathrin Schmid nun in der Anklage vortrug, sind umfangreic­h. Im November 2015 war der Angeklagte mit seiner Ehefrau nach Deutschlan­d gekommen. Im Laufe des Zeitraums bis zum 17. Dezember soll er sie drei Mal brutal vergewalti­gt haben. Zudem soll er mindestens zwei Mal pro Woche auf sie eingeschla­gen haben, offenbar aus der Vorstellun­g heraus, sie habe eine Beziehung zu einem anderen Mann. Dem An- geklagten droht angesichts der Vorwürfe eine lange Haftstrafe.

Am ersten Verhandlun­gstag stritt er sie weitgehend ab. Zu einem Anlass habe er seine Frau zwei, drei Mal geohrfeigt, sagte der Mann, der dem Prozess mithilfe eines Dolmetsche­rs folgt. In jeder Ehe gebe es Konflikte. Seine Frau habe gedacht, er gehe fremd, dabei sei er nur ins Spielcasin­o gegangen. Die Frau sei danach ziemlich übel zugerichte­t gewesen, sagte Richter Christiani. Wie passe das zu den Schilderun­gen? Er habe vielleicht hart zuge- schlagen, sagte der Angeklagte. Aber nicht mit der Faust. Alle anderen Vorwürfe seien falsch, alles sei gelogen. Vergewalti­gungen habe es nie gegeben, der Sex sei stets einvernehm­lich gewesen. Nach einer kurzen Besprechun­g mit seinem Verteidige­r Moritz Bode machte der Angeklagte danach keine Angaben zur Sache mehr.

Laut Anklage stellte sich die Situation am 18. Dezember 2016 anders dar. Demnach hatte die junge Afghanin, die im Prozess als Nebenkläge­rin von Cornelia Mccready vertreten wird, am 14. Dezember einen Teppich kaufen wollen und im Laden einen Bekannten angerufen, damit dieser für sie am Telefon übersetzt. Als ihr Mann vier Tage später davon erfuhr, trat er sie demnach mit dem Fuß ins Gesicht und schlug eine halbe Stunde auf sie ein. Danach soll er die Wohnung verlassen haben – und die Frau den Entschluss gefasst haben, sich und ihre Kinder zu ertränken. Das Verfahren gegen die Frau wurde nach Informatio­nen unserer Zeitung wegen Schuldunfä­higkeit eingestell­t.

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Foto: Silvio Wyszengrad Ein 23 jähriger Afghane soll seine Frau im Verlauf eines Jahres immer wieder misshandel­t haben. Am 18. Dezember des vergangene­n Jahres fasste die verzweifel­te Frau den Entschluss, sich und ihre Kinder in der Wertach zu ertränken, brachte es aber nicht...

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