Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Warum es im Klinikum „versteckte Brände“gibt
Ein Schwelbrand in einer Wand löst einen Großeinsatz aus. Wegen des Rauchs müssen 75 Patienten auf andere Stationen verteilt werden. Es ist nicht der erste Zwischenfall dieser Art. Was sagt der Feuerwehr-chef zum Risiko?
Es roch nach Brandrauch im siebten Stock des Klinikums. Man konnte Qualm sehen, jedoch nirgendwo ein Feuer. Es war ein versteckter Brand, der am späten Mittwochabend einen Großeinsatz für Feuerwehren und Rettungsdienste nach sich gezogen hat. Gegen 23 Uhr wurden rund 170 Helfer von der Rettungsleitstelle alarmiert. 75 Patienten mussten wegen des Rauchs sicherheitshalber in andere Bereiche des Klinikums verlegt werden.
Es dauerte einige Zeit, bis die Feuerwehrleute wussten, wo es genau brennt. Denn es gab kein offenes Feuer. Der Brand ist in einer sogenannten Dehnfuge entstanden. Dabei handelt es sich um einen wenige Zentimeter breiten Spalt, der bewusst zwischen zwei Gebäudeteilen freigelassen wird, weil sich das Baumaterial leicht ausdehnen oder zusammenziehen kann. Typisch ist das auch bei Reihenhäusern. Der Spalt wird meist mit Dämmmaterial ausgefüllt. Schwelbrände können in solchen Fugen über längere Zeit unbemerkt vor sich hin glimmen. Das Problem: Da sich der Spalt meist über alle Stockwerke ziehe, könne sich auch der Rauch „relativ unkontrolliert“ausbreiten, sagt Frank Habermaier, der Chef der Berufsfeuerwehr. Beim Brand am Mittwochabend sei der giftige Qualm unter anderem im dritten, siebten und achten Stock bemerkt worden. „Brandrauch ist in einem Krankenhaus immer kritisch, weil sich viele Patienten ja nicht selbst in Sicherheit bringen können“, erklärt Frank Habermaier.
Dass sich in den Fugen brennbares Material befindet, ist aus Sicht des Feuerwehrchefs nicht ideal. Ändern lässt sich das aber nicht. Die Fugen sind auch bei Renovierungen nicht erreichbar. Alarm schlägt der Brand-experte aber nicht. „Es ist ein gewisses Risiko“, sagt Frank Habermaier. „Aber man kann dieses Risiko in den Griff bekommen.“Das zeigt auch der Blick in die Vergangenheit. Obwohl es schon mehrfach Dehnfugen-brände am Klinikum gab, ist nie etwas Schlimmeres passiert. Auch im aktuellen Fall ging es glimpflich aus. Patienten wurden nach Angaben einer Sprecherin des Klinikums nicht verletzt. Drei Krankenschwestern, die halfen, Patienten auf andere Stationen zu verteilen, erlitten zwar eine leichte Rauchvergiftung. Es gehe ihnen aber wieder besser, hieß es am Donnerstag in einem Rundbrief des Klinik-vorstands an die Mitarbeiter. Der Einsatz der Rettungskräfte dauerte bis gegen 5 Uhr, am Donnerstagmorgen wurden alle Patienten zurück auf ihre Station gebracht.
Fast immer sind es Bauarbeiten, die einen Brand in den Dehnfugen auslösen. So war es nach Angaben der Polizei vermutlich auch dieses Mal wieder. Im dritten Stock bildete sich nach Schweißarbeiten ein Glutnest in einer Fuge. Die Feuerwehrleute machten es mithilfe einer Wärmebildkamera ausfindig. Sie zeigte ihnen an, wo es in der Wand wärmer ist als normal. Feuerwehr-chef Frank Habermaier sagt, das Klinikum habe in den vergangenen Jahren einiges dafür getan, um das Risiko, das von solchen Bränden ausgeht, zu verkleinern. So gebe es dort inzwischen eine sogenannte Löschlanze, die speziell bei Fugenbränden eingesetzt wird. Es handelt sich um ein schmales Rohr, das in die Fuge eingeführt werden kann. So kommt Löschwasser an die Stelle, an der es glimmt. Auch mit einer Wärmebildkamera seien die Mitarbeiter des Großkrankenhauses mit rund 1700 Betten ausgestattet.
Mit dem Einsatz in der Nacht zum Donnerstag ist der FeuerwehrChef zufrieden. „Die Evakuierung lief reibungslos“, lobt er die Arbeit der Einsatzkräfte. Die größte betroffene Station mit 40 Patienten wurde innerhalb von 18 Minuten geräumt. Das sei, heißt es in Feuerwehrkreisen, eine sehr gute Zeit. Beteiligt daran waren Klinikbeschäftigte, Feuerwehrleute und Helfer der Rettungsdienste. Der Vorteil: Das Klinikum wurde so gebaut, dass es zwei eigenständige Gebäudeteile gibt. Das sieht man auch bei den Wegweisern, auf denen die Teile als A- und B-trakt bezeichnet sind. Ein Feuer im einen Teil des Krankenhauses kann so nur schwer auf den anderen übergreifen. Patienten müssen daher im Normalfall nicht aus dem Gebäude gebracht werden. In der Regel reicht es sogar, sie im selben Stockwerk von einem Trakt in den anderen zu bringen.
Beim Klinikum betont man, dass man die Fugen bei der derzeit laufenden Sanierung des Hauses besonders im Blick hat. Klinik-sprecherin Kristina Holtzsch teilt auf Anfrage unserer Redaktion mit: „Alle an der Planung und am Bau Beteiligten achten streng darauf, dass die notwendigen Arbeiten in der Nähe der Dehnfugen sensibel und unter Berücksichtigung aller Schutzmaßnahmen durchgeführt werden“. Dennoch lässt es sich aber offensichtlich nicht vermeiden, dass es in unregelmäßigen Abständen zu Zwischenfällen kommt. Das zeigen ähnliche Brände aus den Jahren 2012, 2009, 2006 und 2001. Auch als kürzlich Regenwasser ins Klinikum eindrang, spielte wohl eine Dehnfuge eine Rolle. Nach Arbeiten auf einem Dach floss bei einem Starkregen Ende Juni Wasser durch eine Fuge ins Innere und zog etwa 20 Räume in Mitleidenschaft. » Kommentar
Nach 18 Minuten war eine Station evakuiert