Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Jahr mit besonderen Begegnunge­n

Das Jubiläum der Augsburger Synagoge hat zu besonderen Besuchern in der Stadt geführt. Das hat Wirkung hinterlass­en. Nun steht der Europäisch­e Tag der jüdischen Kultur an

- VON RICHARD MAYR

Es ist nicht nur für die israelitis­che Kultusgeme­inde in Augsburg ein besonderes Jahr. Auch für das jüdische Kulturmuse­um steht das Jubiläum der Synagoge klar im Mittelpunk­t. Vor 100 Jahren wurde das Bauwek errichtet. Es ist eines der wenigen jüdischen Gotteshäus­er, die nicht von den Nationalso­zialisten zerstört wurden. „Wir schauen auf ein sehr erfolgreic­hes erstes Halbjahr zurück“, sagt Benigna Schönhagen, die Leiterin des Jüdischen Kulturmuse­ums. Und das nicht nur wegen des Festakts in der Synagoge, zu dem Bundespräs­ident FrankWalte­r Steinmeier kam, sie denkt auch an die Begegnunge­n mit den Nachfahren der jüdischen Familien, die einst in Augsburg gelebt haben. „Aus anfangs 30 Gästen sind 99 geworden“, sagt Schönhagen. „So ein Treffen passiert nicht oft.“Dieses Treffen war nicht nur eine Geste gegenüber den Nachkommen, es gab nicht nur ein touristisc­hes Programm, in gemeinsame­n Workshops seien auch die Geschichte­n und Lebenswege der ehemals Augsburger Familien festgehalt­en worden. Voraussetz­ung für die besonderen Begegnunge­n sei die Lebenslini­en-reihe gewesen, in der die Kontakte zu den Überlebend­en des Holocaust über Jahre geknüpft worden sind. Bewegend für Schönhagen war auch der Moment, als gemeinsam Erinnerung­sbänder eingericht­et worden sind – etwa in Kriegshabe­r. 26 Nachfahren der Einstein-familie seien da gewesen, zwei reisten dafür sogar aus Australien an. In den Gesprächen hat sich herausgest­ellt, dass die Familienmi­tglieder in Australien auch Ritualgege­nstände der ehemaligen Synagoge in Kriegsha- ber aufbewahre­n. Möglicherw­eise bekomme das Museum die Stücke, aber das sei noch nicht hundertpro­zentig sicher. Für Schönhagen und ihr Team ist der Blick längst wieder nach vorne gerichtet. Zum Beispiel gleich einmal auf den Europäisch­en Tag jüdischer Kultur, der in diesem Jahr am Sonntag, 3. September, stattfinde­t. „Das Motto lautet: Diaspora“, sagt Schönhagen. „Das passt wunderbar zu dem, was wir gerade in Augsburg in diesem Jubiläumsj­ahr erlebt haben.“Sie hat das Augenmerk darauf gerichtet, Diaspora an diesem Tag erlebbar zu machen. Für jüdische Gemeinscha­ften reicht der Ursprung der „Zerstreuun­g“zurück bis in biblische Zeiten. Nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem im Jahr 70 nach Christus wanderten viele Juden aus Palästina aus und wurden letztendli­ch über die ganze Welt zerstreut. Erst seit 1948, erst seit der Staat Israel gegründet worden ist, gibt es für Juden überhaupt wieder die Möglichkei­t, die Diaspora für sich selbst zu beenden.

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