Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Fledermaus alarm
In diesen Wochen schwärmen verstärkt junge Zwergfledermäuse aus. Oft verfliegen sie sich in bewohnte Gebäude, immer mehr auch in Augsburg. Experten erklären, warum das so ist
Die einen schliefen in einer Kaffeetasse, andere hatten sich hinter Ordnern im Schrank versteckt. Eine Schar Zwergfledermäuse flog vor Kurzem über Nacht im Verwaltungsgebäude des Bezirks Schwaben am Hafnerberg ein und machte es sich in einem Büro im sechsten Stock gemütlich. Und nicht nur beim Bezirk gab es ungebetene Gäste. Dass sich junge Zwergfledermäuse im Spätsommer in Häuser und Wohnungen verirren, kommt in Augsburg offenbar immer häufiger vor.
Allein in den vergangenen Tagen bekamen eine Kanzlei am Königsplatz, eine Firma in Pfersee und viele weitere Gebäude nächtlichen Besuch von Fledermäusen, wie Claudia Weißschädel vom Fledermausschutz Augsburg erzählt: „Wir bekommen jeden Tag einige Anrufe oder Meldungen über FledermausInvasionen.“Das hat einen Grund: Fenster werden oft gekippt, aber nicht geschlossen. So können junge Zwergfledermäuse hineinfliegen. Sie finden aber meistens nicht mehr alleine den Weg hinaus.
Das war wohl auch beim Bezirk Schwaben der Fall. „In der Nacht sind die Fledermäuse in den Raum geflogen“, erzählt Birgit Böllinger von der Pressestelle. „Die Kolleginnen sind dann am nächsten Morgen ins Büro gekommen und haben die schlafenden Tiere entdeckt.“Die Pressereferentin schildert die ersten Reaktionen nach diesem überraschenden Fund: „Da war von Hysterie bis ,och sind die niedlich‘ alles dabei. Vergessen, das Fenster zu schließen, werden die Kolleginnen aber wohl nicht mehr.“
Die rund 15 ungebetenen Besucher am Hafnerberg wurden von der Initiative Fledermausschutz Augsburg in Obhut genommen. Mitarbeiterin Claudia Weißschädel rückte an und sammelte die vermutlich erst acht bis zehn Wochen alten Tiere ein. Sie freut sich, wenn sie gerufen wird. Derzeit hat sie aber sehr viele Einsätze. „In den Monaten August und September machen sich junge Zwergfledermäuse auf, um nach einem geeigneten Ort für den Winterschlaf zu suchen“, erklärt die Expertin. Weil sie sehr neugierig sind, verfliegen sich unerfahrene Jungtie-
re öfter in bewohnte Häuser. Fledermäuse zählen zu den geschützten heimischen Wildtieren. In Bayern haben sich die meisten Fledermausarten in den vergangenen Jahren aber deutlich erholt. Zu dieser Einschätzung kommen Fachleute des Landesamtes für Umwelt. Die Fledermausdatenbank Bayern listet
knapp 30 000 Fundorte und mehr als 130 000 Nachweise für 2015 aus. Nur noch drei Arten gelten als vom Aussterben bedroht: die Große Hufeisennase, die Kleine Hufeisennase sowie die erst 2012 in Bayern entdeckte Nymphenfledermaus.
Auch in Augsburg dürfte es wieder mehr Fledermäuse geben. Da- von geht Bernd-ulrich Rudolph aus, Experte beim Landesbund für Vogelschutz. Denn gerade Augsburg gilt als ein Fledermausparadies. Wegen der Flüsse und Stadtkanäle gibt es viele Insekten, die Nahrung für die nächtlichen Jäger sind. Die Bebauung und auch die Bäume in der Stadt bieten viele Möglichkei- ten für einen Unterschlupf. Aktuell würden zwölf der 25 bayerischen Fledermausarten regelmäßig in Augsburg beobachtet, so Rudolph, einige weitere Arten werden immer mal wieder in der Stadt gesichtet.
Sehr gut entwickelt hat sich beispielsweise die Population der Weißrandfledermäuse. Dabei war diese Art in Deutschland früher gar nicht heimisch. Sie stammt aus dem Mittelmeerraum und ist wohl im Zuge des Klimawandels eingewandert. „In Augsburg und München wurden die ersten Weißrandfledermäuse vor 20 Jahren entdeckt“, sagt Rudolph. Inzwischen seien mehr als ein Dutzend Kolonien in Augsburg bekannt und die Weißrandfledermaus breite sich nun auch weiter in andere bayerische Städte aus.
Überlebensprobleme bekommen die Fledermäuse, wenn sich Umweltbedingungen ändern und damit die Zahl der Insekten abnimmt. Negativ wirkt sich aus Sicht von Fachleuten auch aus, wenn Lebensräume und Rückzugsorte der Fledermäuse zerstört werden. Wenn beispielsweise viele Bäume gefällt werden, eigentlich das Revier der Abendsegler und Wasserfledermäuse, müssen diese umziehen. Und das bedeutet dann oft den Tod der Tiere.
Im Theater gibt es ein großes Winterquartier von Abendseglern. Die Sanierung des Großen Hauses wird auch Auswirkungen auf die Tiere haben, davon geht Experte Rudolph aus. Aus Artenschutzgründen werde es notwendig sein, Ausweichquartiere in der Nähe für die Abendsegler zu schaffen, sagt Rudolph. „Die Stadt Augsburg kümmert sich aber bereits darum.“
In der Augsburger Stadtverwaltung hat man auch schon Erfahrungen mit ungewöhnlich großen Fledermausinvasionen gemacht. Vor drei Jahren flogen über 800 junge Zwergfledermäuse durch ein gekipptes Fenster in ein Büro der Stadtkämmerei. Auch dort waren sie gefangen und wurden erst nach einigen Tagen durch einen Zufall entdeckt, weil der Raum vorübergehend nicht genutzt war. Die Renovierung des Büros nach der Fledermaus-invasion war kostspielig. Seither gilt in der Stadtkämmerei eine neue Regelung: Von Juli bis September müssen Fenster nachts geschlossen bleiben. Auch zur Sicherheit der Tiere. Kommentar