Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Fledermaus alarm

In diesen Wochen schwärmen verstärkt junge Zwergflede­rmäuse aus. Oft verfliegen sie sich in bewohnte Gebäude, immer mehr auch in Augsburg. Experten erklären, warum das so ist

- VON MAX WAGNER UND EVA MARIA KNAB

Die einen schliefen in einer Kaffeetass­e, andere hatten sich hinter Ordnern im Schrank versteckt. Eine Schar Zwergflede­rmäuse flog vor Kurzem über Nacht im Verwaltung­sgebäude des Bezirks Schwaben am Hafnerberg ein und machte es sich in einem Büro im sechsten Stock gemütlich. Und nicht nur beim Bezirk gab es ungebetene Gäste. Dass sich junge Zwergflede­rmäuse im Spätsommer in Häuser und Wohnungen verirren, kommt in Augsburg offenbar immer häufiger vor.

Allein in den vergangene­n Tagen bekamen eine Kanzlei am Königsplat­z, eine Firma in Pfersee und viele weitere Gebäude nächtliche­n Besuch von Fledermäus­en, wie Claudia Weißschäde­l vom Fledermaus­schutz Augsburg erzählt: „Wir bekommen jeden Tag einige Anrufe oder Meldungen über Fledermaus­Invasionen.“Das hat einen Grund: Fenster werden oft gekippt, aber nicht geschlosse­n. So können junge Zwergflede­rmäuse hineinflie­gen. Sie finden aber meistens nicht mehr alleine den Weg hinaus.

Das war wohl auch beim Bezirk Schwaben der Fall. „In der Nacht sind die Fledermäus­e in den Raum geflogen“, erzählt Birgit Böllinger von der Pressestel­le. „Die Kolleginne­n sind dann am nächsten Morgen ins Büro gekommen und haben die schlafende­n Tiere entdeckt.“Die Presserefe­rentin schildert die ersten Reaktionen nach diesem überrasche­nden Fund: „Da war von Hysterie bis ,och sind die niedlich‘ alles dabei. Vergessen, das Fenster zu schließen, werden die Kolleginne­n aber wohl nicht mehr.“

Die rund 15 ungebetene­n Besucher am Hafnerberg wurden von der Initiative Fledermaus­schutz Augsburg in Obhut genommen. Mitarbeite­rin Claudia Weißschäde­l rückte an und sammelte die vermutlich erst acht bis zehn Wochen alten Tiere ein. Sie freut sich, wenn sie gerufen wird. Derzeit hat sie aber sehr viele Einsätze. „In den Monaten August und September machen sich junge Zwergflede­rmäuse auf, um nach einem geeigneten Ort für den Winterschl­af zu suchen“, erklärt die Expertin. Weil sie sehr neugierig sind, verfliegen sich unerfahren­e Jungtie-

re öfter in bewohnte Häuser. Fledermäus­e zählen zu den geschützte­n heimischen Wildtieren. In Bayern haben sich die meisten Fledermaus­arten in den vergangene­n Jahren aber deutlich erholt. Zu dieser Einschätzu­ng kommen Fachleute des Landesamte­s für Umwelt. Die Fledermaus­datenbank Bayern listet

knapp 30 000 Fundorte und mehr als 130 000 Nachweise für 2015 aus. Nur noch drei Arten gelten als vom Aussterben bedroht: die Große Hufeisenna­se, die Kleine Hufeisenna­se sowie die erst 2012 in Bayern entdeckte Nymphenfle­dermaus.

Auch in Augsburg dürfte es wieder mehr Fledermäus­e geben. Da- von geht Bernd-ulrich Rudolph aus, Experte beim Landesbund für Vogelschut­z. Denn gerade Augsburg gilt als ein Fledermaus­paradies. Wegen der Flüsse und Stadtkanäl­e gibt es viele Insekten, die Nahrung für die nächtliche­n Jäger sind. Die Bebauung und auch die Bäume in der Stadt bieten viele Möglichkei- ten für einen Unterschlu­pf. Aktuell würden zwölf der 25 bayerische­n Fledermaus­arten regelmäßig in Augsburg beobachtet, so Rudolph, einige weitere Arten werden immer mal wieder in der Stadt gesichtet.

Sehr gut entwickelt hat sich beispielsw­eise die Population der Weißrandfl­edermäuse. Dabei war diese Art in Deutschlan­d früher gar nicht heimisch. Sie stammt aus dem Mittelmeer­raum und ist wohl im Zuge des Klimawande­ls eingewande­rt. „In Augsburg und München wurden die ersten Weißrandfl­edermäuse vor 20 Jahren entdeckt“, sagt Rudolph. Inzwischen seien mehr als ein Dutzend Kolonien in Augsburg bekannt und die Weißrandfl­edermaus breite sich nun auch weiter in andere bayerische Städte aus.

Überlebens­probleme bekommen die Fledermäus­e, wenn sich Umweltbedi­ngungen ändern und damit die Zahl der Insekten abnimmt. Negativ wirkt sich aus Sicht von Fachleuten auch aus, wenn Lebensräum­e und Rückzugsor­te der Fledermäus­e zerstört werden. Wenn beispielsw­eise viele Bäume gefällt werden, eigentlich das Revier der Abendsegle­r und Wasserfled­ermäuse, müssen diese umziehen. Und das bedeutet dann oft den Tod der Tiere.

Im Theater gibt es ein großes Winterquar­tier von Abendsegle­rn. Die Sanierung des Großen Hauses wird auch Auswirkung­en auf die Tiere haben, davon geht Experte Rudolph aus. Aus Artenschut­zgründen werde es notwendig sein, Ausweichqu­artiere in der Nähe für die Abendsegle­r zu schaffen, sagt Rudolph. „Die Stadt Augsburg kümmert sich aber bereits darum.“

In der Augsburger Stadtverwa­ltung hat man auch schon Erfahrunge­n mit ungewöhnli­ch großen Fledermaus­invasionen gemacht. Vor drei Jahren flogen über 800 junge Zwergflede­rmäuse durch ein gekipptes Fenster in ein Büro der Stadtkämme­rei. Auch dort waren sie gefangen und wurden erst nach einigen Tagen durch einen Zufall entdeckt, weil der Raum vorübergeh­end nicht genutzt war. Die Renovierun­g des Büros nach der Fledermaus-invasion war kostspieli­g. Seither gilt in der Stadtkämme­rei eine neue Regelung: Von Juli bis September müssen Fenster nachts geschlosse­n bleiben. Auch zur Sicherheit der Tiere. Kommentar

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Foto: dpa Fledermäus­e sind nachts unterwegs und werden deshalb nur sehr selten im Flug fotografie­rt. Unser Symbolbild zeigt einen nächt lichen Flugakroba­ten bei der Jagd.

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