Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ein Ehepaar überblickt halb Augsburg
Wer in der Altstadt eine Wohnung mit Dachterrasse ergattert, kann sich glücklich schätzen. Manchmal sind die Eigentümer aber gar nicht so oft draußen, wie man glauben mag – aus mehreren Gründen / Serie (5)
Hier oben klingt die Stadt anders. Entfernter. Die Passanten, die unten entlanglaufen und sich unterhalten, die Autos, die im Schritttempo durch die engen Gassen fahren –sie alle klingen gedämpft. Das Ehepaar, dem dieses „Oben“gehört, steht auf seiner Dachterrasse in der Altstadt und genießt die Ruhe unter freiem Himmel. Und nicht nur die.
„Wir lieben Garten, aber nicht die Gartenarbeit“, sagen Ferdinand und Alexandra. Deshalb ist für die Eheleute ihre rund 30 Quadratmeter große Dachterrasse genau das Richtige. Hier muss kein Rasen gemäht, kein Unkraut aus Beeten gezupft werden. Gerne zeigen der 70-Jährige und seine zehn Jahre jüngere Frau ihre Oase über den Dächern der Altstadt her. Mit komplettem Namen und mit Bild wollen sie aber nicht in die Zeitung.
Neidisch könnte man in der Tat werden, wenn man aus ihrem Wohnzimmer im fünften Stock unter dem Dach des Altstadthauses auf die großzügige Holzterrasse heraustritt. Der Blick ist atemberaubend. Unendlich viele Dächer, dazwischen Baumwipfel, der Schlot aus dem Textilviertel, die Türme von St. Ulrich und der Moritzkirche – die Terrasse gibt den Blick in gleich drei Himmelsrichtungen frei.
„Die Dachlandschaft hat ihren Reiz“, findet Ferdinand. „Und von hier oben aus sieht man erst, wie grün die Stadt ist. Seine Frau ergänzt: „Man schätzt den Wert eines jeden einzelnen Baumes. Wir lieben zum Beispiel diese Kastanie hier unten“, sagt sie und zeigt mit dem Finger abwärts. Tatsächlich: Wie eine grüne Decke breitet sich das üppige Blätterdach unterhalb der Dachterrasse mitten in der Altstadt aus. Es verschluckt für einen kurzen Moment die unten vorbeigehenden Menschen. Dabei müssen die Eheleute gar nicht nach unten blicken, wenn sie Pflanzen sehen wollen. Die haben sie nämlich selber.
An der Seite zum Wohnzimmer etwa rankt Wilder Wein. Pflanzen in Töpfen unterschiedlicher Größe umrahmen die Dachterrasse. Flieder, Rosen, Buchs, Sonnenblumen und sogar ein kleines Apfelbäumchen wachsen darin. Das Ehepaar hat sich für seine Pflanzen extra eine automatische Bewässerungsanlage gegönnt. „Schließlich sind wir ja auch mal unterwegs.“Ferdinand und Alexandra wissen um das Privileg, in der Altstadt eine schöne Wohnung mit einer Dachterrasse zu haben. „Wohnungen mit Dachterrassen sind sehr begehrt.“Dennoch halten sie sich gar nicht so oft darauf auf, wie man vielleicht meinen könnte.
„Am Wochenende sind wir an lauen Abenden schon länger draußen. Aber zum Essen sitzen wir meistens in der Wohnküche. Es ist halt praktischer“, sagt sie. Klar, die Küche befindet sich ein Stockwerk tiefer. Für ein Essen muss erst alles nach oben geschleppt werden. Alexandra weiß sich in solchen Fällen aber zu helfen. „Dafür habe ich einen Tragekorb mit einem Henkel. Darin lassen sich Teller, Gläser und Flaschen gut transportieren und ich habe noch eine Hand frei.“Gerne sitzen die beiden vor allem in ihrem kleinen Wintergarten, den sie sich nach zehn Jahren auf einem Teil der Dachterrasse errichten ließen. „Auf der Terrasse ist es ungeschützt. Es ist oft windig. Dann ziehen wir uns gerne in den Wintergarten zurück.“
Die Eheleute flüchten auch in den Glasanbau, wenn es mit Insekten überhandnimmt. „Dann machen wir einfach die Tür zu.“Viele Bienen hätten sie auf der Dachterrasse. Alexandra glaubt, dass diese vom Schaezlerpalais kommen. „Dort gibt es nämlich zwei Völker. Aber ganz sicher bin ich mir nicht. Die Bienen haben keinen Ausweis dabei“, scherzt sie. In den Wintergarten dürfen die Tiere nicht. Aber auf der Dachterrasse hat das Ehepaar extra eine Insektentränke aufgestellt. Für die Vögel gibt es auch eine Trinkmöglichkeit. Auf dieser Dachterrasse sind nicht nur Menschen willkommen.
In unserer Reihe „Grüne Oasen“stellen wir jeweils mittwochs Dachter rassen und Innenhöfe in Augsburg vor.