Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Sie pflegen die Lust des Entdeckens

Jan Vogler und Martin Stadtfeld bezaubern an Cello und Klavier mit Bach, Mendelssoh­n und Beethoven

- VON MANFRED ENGELHARDT

Sie gelten als Künstler, die überragend­es musikalisc­hes Handwerk in den Dienst eines erfrischen­den Umgangs mit den großen Meistern stellen. Den Cellisten Jan Vogler, der als 20-Jähriger Erster Konzertmei­ster der Staatskape­lle Dresden wurde, dann die solistisch­e Karriere beschritt, zeichnet ebenso die Lust am Entdecken aus wie Martin Stadtfeld. Der Pianist wird für seine Bach-interpreta­tionen gerühmt wie für seinen Zugang zur deutschen Romantik. Bei mozart@augsburg präsentier­te sich das Duo im Kleinen Goldenen Saal mit Bach und Mendelssoh­n im ersten Teil, und ließ nach der Pause den Abend kulminiere­n mit Beethoven.

In Bachs „Gambensona­te“Nr. 2 D-dur BWV 1028 beziehen Vogler und Stadtfeld natürlich die nicht mehr verzichtba­ren Erkenntnis­se der historisch­en Aufführung­spraxis ein. Doch sie finden mit modernem Konzertflü­gel und Cello einen neuen Ausdruck. Wie der Cellist die Töne der langsamen und lebhaften Bauteile sanft tuscht, in die Stille nachhallen lässt und ohne Vibrato modelliert, ahmt den Gambenton nicht als bloße Illustrati­on nach, sondern führt zu einer eigenen be- zwingenden, fast sachlichen Poesie. Sie zaubern mit zeitloser Spiellust Musik pur. Stadtfeld transporti­ert auf dem Flügel keine mühevoll imitierten Cembalo-masken, sondern versetzt mit seinem Partner den Kern Bach’scher Substanz in subtil bebende Schwingung­en.

Diesen intimen Klangräume­n ließen Jan Vogler und Martin Stadtfeld die bildstarke­n Eingebunge­n von Felix Mendelssoh­n folgen. Seine D-dur-sonate Nr. 2 machten sie zu einem Stück Romantik, das von stürmische­m Vorwärtsdr­ang ebenso geprägt ist wie von zart huschenden Szenerien und balladenha­ften „Erzählunge­n“. Die furiosen Tempoläufe mit aberwitzig­en TriolenSch­leiern und Mendelssoh­n’scher Presto-wut in den Ecksätzen wurden nicht zum zirzensisc­hen Technik-kraftakt, sondern bekamen mit eleganten Phrasierun­gsmomenten Leichtigke­it. Der Arpeggio-introdukti­on im Adagio mit Harfengebä­rde durch das Klavier, eine echte Troubadour-szene, ließ Vogler eine schimmernd­e Ballade folgen, bevor im Finale wieder die „Sommernach­tstraum“-geister flirrten und spukten.

Die zwölf Variatione­n über Händels „See, the Conqu’ring Heros comes“aus „Judas Maccabäus“, in Deutschlan­d auch vertraut als das adventlich­e „Freu dich, Tochter Zions“, gab dem Duo Gelegenhei­t, Ludwig van Beethovens Formkunst brillant und transparen­t zu demonstrie­ren, ein lustvolles Spiel mit einem schlicht herzlichen Thema, das die verschiede­nsten Gestalten annehmen darf. Die abschließe­nde A-dur-sonate op. 69 gehört zu Beethovens bedeutends­ten Kammermusi­kwerken. Der einleitend­e Satz öffnet im Cello mystisch aufblühend­e Sphären, in die Bachs sublim eingewebte­r Choral „Es ist vollbracht“aus der Johannespa­ssion aufscheint und die spirituell­e Ebene ausbreitet, eine Melodie, die auch auf die gesanglich­en Haupttheme­n abfärbt. Das Scherzo war in metallisch geschliffe­nen Pianissimo-teilen gezaubert. Nach dem gebethafte­n Adagio türmte sich das Finale zum mächtigen Drama auf, das trotzdem geradezu tänzerisch­e Lust versprühte. Beifallsst­ürme, denen als Zugaben ein brillant rabiater Schostakow­itsch und Schumanns Abendlied folgten.

 ?? Foto: Wolfgang Diekamp ?? Einen erfrischen­den Umgang mit den großen Meistern zeigten Pianist Martin Stadt  feld und Cellist Jan Vogler.
Foto: Wolfgang Diekamp Einen erfrischen­den Umgang mit den großen Meistern zeigten Pianist Martin Stadt feld und Cellist Jan Vogler.

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