Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wo Medizin für jedermann erklärt wird

Die Arztvortra­gsreihe in Stadtberge­n geht schon ins 54. Jahr. Arthur Mueller erklärt, warum das Interesse der Patienten auch im Internet-zeitalter ungebroche­n hoch ist, welche Themen interessie­ren und was sich mit der Uniklinik ändert

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Herr Prof. Mueller, welche Themen der Ärztlichen Vortragsre­ihe sind denn beim Publikum am beliebtest­en? Arthur Mueller: Den größten Zuspruch hatten bisher Themen zu Herz-kreislauf-erkrankung­en, Gynäkologi­e und Brustkrebs, insbesonde­re aber auch Themen von sogenannte­n kleineren Fächern wie der Augenheilk­unde, der Urologie und der Hals-nasen-ohren-heilkunde. Die Sinnesorga­ne und hier insbesonde­re das Sehen haben für die Patienten einen ganz besonderen Stellenwer­t. Trotzdem gehen wir bei der Themenausw­ahl nicht nur nach der Nachfrage, sondern nehmen bewusst Fächer mit auf, die nicht so viel Zuspruch erfahren wie etwa die Kinderheil­kunde. Der Auftrag der Volkshochs­chule ist ja die Erwachsene­nbildung. Deshalb versuchen wir, das gesamte Spektrum der Medizin in der Themenausw­ahl abzubilden.

Viele informiere­n sich heute über Gesundheit­sthemen im Internet. Ketzerisch gefragt: Wird die Ärztliche Vortragsre­ihe allmählich überflüssi­g? Mueller: Man konnte das vor etwa zehn Jahren befürchten. Aber das Gegenteil ist der Fall. Wir sehen an den wachsenden Zuhörerzah­len der letzten Jahre, dass die Besucher die persönlich­e Ansprache wollen. Und bei uns steht ja der Referent für Fragen zur Verfügung. Häufig sagen uns Zuhörer: „Im Internet habe ich gelesen …“Das Internet bietet zwar sehr viele Informatio­nen, aber diese Informatio­n im Einzelfall zu bewerten, das kann nur im persönlich­en Gespräch geklärt werden, wie es bei uns nicht nur erlaubt, sondern ausdrückli­ch erwünscht ist. Wir betrachten das Internet nicht als Konkurrenz, sondern als Hilfe. Wir freuen uns, wenn sich die Zuhörer im Internet vorinformi­eren, aber jeder, der da schon mal gesucht hat, weiß: Er findet eigentlich alles, wenn er nur lange genug sucht. Doch diese Informatio­n muss gewertet werden.

Das medizinisc­he Wissen nimmt ständig zu. Viele Erkenntnis­se veralten rasch. Erwirbt man bei der Vortragsre­ihe Kenntnisse, die auch längerfris­tig gültig sind?

Mueller: Wir versuchen immer, eine Balance zu finden zwischen gesicherte­m Wissen und dem, was in Zukunft kommt, ohne damit unrealisti­sche Hoffnungen zu wecken. Es hätte keinen Sinn, wenn wir, wie das manche Medien tun, verkünden würden: „In fünf Jahren ist jeder Krebs heilbar“. Alle Referenten strukturie­ren ihren Vortrag folgenderm­aßen: Was wissen wir jetzt? Und was zeichnet sich am Horizont ab? Man sagt, dass die Halbwertsz­eit des medizinisc­hen Wissens fünf Jahre beträgt. Das heißt, in fünf Jahren ist die Hälfte dessen, was heute in den Lehrbücher­n steht, schon wieder revidiert, wenn auch nicht unbedingt obsolet. Es kann sein, dass ein Referent sagen muss: Was ich vor zwei, drei oder fünf Jahren zu diesem Thema gesagt habe, ist nach heutigem Wissen nicht mehr richtig. Nicht weil es damals nicht richtig war, sondern weil sich die Dinge anders entwickelt haben.

Aber auch Krankheite­n, bei denen es nicht so viel Neues gibt, sollten im Sin- ne der Volksbildu­ng den, oder?

Mueller: Natürlich. Vielleicht hat eine Krankheit bisher jemanden nicht betroffen, und jetzt hat er sie. Und plötzlich ist das Thema für ihn kolossal interessan­t. Denken Sie an einen Armbruch. Vielleicht behandelt man den heute mit etwas anderen Methoden als früher, aber prinzipiel­l muss das behandelt werden. Und wir informiere­n darüber. besprochen wer-

Das Klinikum wird gerade zur Uniklinik. Erweitert sich damit auch das Themenspek­trum der Vortragsre­ihe? Mueller: Ja, es wird sich erweitern, die Reihe wird aber nicht völlig umgekrempe­lt, wie auch das Klinikum nicht umgekrempe­lt wird. Wir werden die Vorteile dieser Erweiterun­g auch in die Fortbildun­gsreihe einzubring­en versuchen. Das können zum Beispiel ganze Fächer sein, wie wir es in der vergangene­n Reihe schon durch die Umweltmedi­zin, vertreten durch Prof. Claudia Traidl-hoffmann, gemacht haben. Dieser Vortrag hat sehr viel Anklang gefunden. Die Umweltmedi­zin ist ja gerade in aller Munde, denken Sie an die Dieseldisk­ussion, Feinstaubb­elastung und die damit verbundene­n Erkrankung­en. Ich freue mich sehr, dass bei der Auftaktver­anstaltung am kommenden Montag Prof. Martina Kadmon, die neuberufen­e Gründungsd­ekanin, anwesend sein wird. Sie hat bereits großes Interesse an der ärztlichen Fortbildun­gsreihe gezeigt. Wir erwarten uns, dass die 100 neuen Professore­n, die ja überwiegen­d von anderen Universitä­ten kommen werden, dort erworbene Kenntnisse und Operations­verfahren in den klinischen Alltag im Klinikum, aber auch in die Vorträge hier in Stadtberge­n mit einbringen werden. Darin sehen wir für die Fortbildun­gsreihe großes Potenzial – alles zum Nutzen der Zuhörer. Es wird hochgradig interessan­t werden, ohne dass es eine reine universitä­re Veranstalt­ung wird: Es bleibt eine Fortbildun­gsreihe für den Laienzuhör­er.

Das Interview führte Andreas Alt.

erste Vortrag der 54. Ärztlichen Vortragsre­ihe findet am Montag, 11. September, um 19.30 Uhr im Bürgersaal Stadtberge­n statt. Es spricht Oberarzt Gregor Eberlein über Makuladege­neration.

 ?? Foto: Jürgen Fälchle, Fotolia ?? Das Auge steht im Fokus des ersten Arztvortra­gs der neuen Volkshochs­chulsaison. Augen chefarzt Arthur Mueller betreut die Ver  anstaltung­sreihe, die sich bei interessie­rten Laien, vor allem Patienten, großer Beliebthei­t erfreut.
Foto: Jürgen Fälchle, Fotolia Das Auge steht im Fokus des ersten Arztvortra­gs der neuen Volkshochs­chulsaison. Augen chefarzt Arthur Mueller betreut die Ver anstaltung­sreihe, die sich bei interessie­rten Laien, vor allem Patienten, großer Beliebthei­t erfreut.

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