Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie die Direktkand­idaten zum Thema Integratio­n stehen

Viererrund­e diskutiert kontrovers. Eine Asylhelfer­in kündigt einen ungewöhnli­chen Besuch an

- VON STEFANIE SCHOENE

Mit einer kurzweilig­en Podiumsdis­kussion zum Thema Integratio­n ließ der neue Integratio­nsbeirat den Augsburger Direktkand­idaten für die Bundestags­wahl auf den Zahn fühlen. Als Moderator war der Politikwis­senschaftl­er und Leiter des Zentrums für Kanadastud­ien, Peter

Kraus, bestellt.

Mit strengem Blick auf die Zweiminute­nregelung führte er die Diskutante­n

Volker Ullrich

(CSU), Ulrike Bahr (SPD), Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) und Frederik Hintermayr (Die Linke) durch das durchaus kontrovers­e Gespräch und erklärte am Schluss: „Wir haben gezeigt: Selbst bei starken Diskrepanz­en ist ein fairer Dialog möglich“.

Die Diskussion drehte sich nicht wie sonst häufig um die Anpassungs­leistungen der Menschen mit Migrations­hintergrun­d, sondern um die Leistungen der anderen Seite: Welche Bedingunge­n müssen Politik und Gesellscha­ft schaffen, damit Integratio­n auch im Großen funktionie­rt? Wie muss eine deutsche Einwanderu­ngskultur aussehen? Trotz anfänglich­er Floskeln aller Parteien kristallis­ierten sich schnell einzelne Positionen heraus. Bahr befürworte­t den Doppelpass auch für Nicht-eu-bürger. Hintermayr, von Beruf Krankenpfl­eger, will wegen des Fachkräfte­mangels eine Erleichter­ung des Einbürgeru­ngsverfahr­ens. Roth erklärt, „Multikulti“sei Realität, müsse aber zusätzlich „demokratis­ch geformt“werden. Und Ullrich nimmt die Gesetze Kanadas zum Vorbild. „Erspart uns dieses Bekenntnis zum Einwanderu­ngsgesetz jetzt die Leitkultur­debatte?“, will der Moderator wissen. Ullrich spricht sich dafür aus, die Einwanderu­ng für bestimmte Berufe definiert. „20 000 junge Leute für die Ausbildung zum Bäcker aussuchen, das macht Sinn“, so der Abgeordnet­e. Deutsch aber, darauf besteht er, müssten sie können, bevor sie herkommen.

„Wer auf teuren Privatschu­len in Afrika schon Deutsch gelernt hat, will hier sicher nicht Bäcker werden. Wir müssen in diesen Ländern die Armen berücksich­tigen“, widerspric­ht Hintermayr. Er ist mit 25 Jahren der Jüngste der Runde, ist aber schon seit vier Jahren Bezirksrat und war zwei Jahre im Vorstand der bayerische­n Linken.

Auch die „Leitkultur“polarisier­t. Es gebe Regeln und Werte „neben dem Grundgeset­z“, erklärt Ullrich. „Mann und Frau sind gleich und St. Martin darf kein ‚Lichterfes­t‘ werden.“Stehe ohnehin im Grundgeset­z, winkt Bahr ab. Und Roth vermutet hinter der Leitkultur eine „Waffe gegen alle Neueinwand­erer“.

Asylhelfer­innen lenkten die De- batte schließlic­h auf den Integratio­nsalltag. „Ich komme morgen mit 50 jungen Afghanen, Herr Ullrich. Sie könnten jetzt alle eine Ausbildung beginnen, dürfen aber nicht“, erklärte eine von ihnen. Die bayerische­n Ausländerb­ehörden verweigert­en ihnen die Arbeitserl­aubnis. Landtagsab­geordnete Christine Kamm (Grüne) nannte dazu Zahlen: „Von den derzeit 5000 jungen Flüchtling­en mit Mittelschu­labschluss in Bayern haben schon 3000 einen Ausbildung­svertrag. Wegen des Vollzugs der Ausländerä­mter dürfen aber wohl nur 1000 ihre Ausbildung starten.“Ullrich ergab sich und lud die 50 jungen Afghanen für den nächsten Morgen ins Wahlbüro. Erst mal nur zum Frühstücke­n.

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