Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Im Blindflug über die Ampel

Rund zehn Prozent der Fußgänger nutzen das Smartphone im Straßenver­kehr – auch beim Überqueren von Kreuzungen. Wer im Straßenver­kehr so abgelenkt ist, riskiert Unfälle. Eine Umfrage ergab weitere Erkenntnis­se

- VON STEFAN KROG

Gestern Vormittag an der Kreuzung Bahnhof- und Schaezlers­traße: Eine junge Frau steht an der Fußgängera­mpel, die gerade auf grün schaltet, aber die junge Frau bekommt nichts davon mit. Sie starrt auf ihr Handy und hat Kopfhörer auf. Als sie aus den Augenwinke­ln bemerkt, dass andere Passanten loslaufen, geht sie auch über die Kreuzung, ohne noch groß auf die Ampel zu schauen.

Die junge Frau ist kein Einzelfall: Bei Zählungen des Verkehrskl­ubs ACE in diesem Sommer nutzten knapp zehn Prozent der erwachsene­n Fußgänger an dieser Kreuzung ihr Handy, während sie sie überquerte­n. Konkret heißt das, dass sie telefonier­ten, aufs Handy schauten oder Musik hörten. Unter den gehenden Handy-nutzern waren Männer etwas stärker vertreten. Bei Kindern und Jugendlich­en, die gesondert erfasst wurden, lag der Anteil der Handynutze­r sogar bei 17,9 Prozent.

Gezählt wurden in der Innenstadt um die 1200 Fußgänger. Eine weitere Zählung gab es an der Autobahnra­ststätte. Auf dem Weg zwischen geparktem Auto und dem Raststätte­ngebäude zückten hier sogar 65 Prozent der Fußgänger ihr Telefon und benutzten es. „Auf den Verkehr und aufs Handy gleichzeit­ig zu achten, schafft keiner“, warnt Florian Baar, Regionalbe­auftragter des ACE für Bayern. Er fürchtet angesichts steigender Smartphone-verbreitun­g mehr Unfälle – verursacht durch Autofahrer, die abgelenkt sind, aber auch durch Fußgänger.

Bisher schlägt sich dieser Trend in der Statistik aber nicht nieder. Die Zahl der Fußgängeru­nfälle ist in Augsburg in den vergangene­n Jahren nicht nennenswer­t gestiegen. Sie liegt konstant bei etwa 200 pro Jahr. In den vergangene­n Jahren gab es aber mehrere Unfälle, bei denen junge Menschen mit Kopfhörer von Straßenbah­nen erfasst wurden, weil sie diese nicht hörten.

Statistisc­h erfasst wird eine Ablenkung durch Handynutzu­ng bei Verkehrsun­fällen nicht, sagt die Polizei. Faktisch wäre dies auch schwierig, wenn es keine Zeugen gibt. Allerdings ist bei Verkehrsun­fällen mit Fußgängern das Nichtbeach­ten des Fahrverkeh­rs beim Betreten von Straßen mit 38 Prozent die Hauptursac­he. „Ablenkung spielt als Unfallursa­che sicher eine wichtige Rolle“, sagt Polizeispr­echer Michael Jakob. In der Verkehrser­ziehung speziell an Schulen nehme das Thema viel Raum ein. „Aber es sind nicht nur junge Leute betroffen. Ablenkung ist in jedem Alter ein Thema, nur die Art dürfte altersmäßi­g unterschie­dlich sein.“ Die Stadtwerke haben vor einem Jahr auf die Problemati­k reagiert, indem sie an den stark von Schülern und Studenten genutzten Straßenbah­nhaltestel­len „Haunstette­r Straße“und „Von-parseval-straße“sogenannte Bodenampel­n installier­ten. Die Led-leisten im Boden leuchten zusätzlich zu Ampeln rot, wenn sich eine Straßenbah­n nähert. Über die Aktion wurde sogar im Ausland berichtet, in Augsburg gab es aber auch kritische Reaktionen auf die Investitio­n von 20 000 Euro.

Aus Sicht der Stadtwerke hat sich der Bau bewährt, auch wenn momentan keine weiteren Bodenam- peln mehr geplant sind. Zielgruppe seien nicht nur Handynutze­r, die aufs Smartphone nach unten starren, sondern alle Passanten. „Die zusätzlich­en Leuchten sind wie ein drittes Bremslicht am Auto. Es ist nicht unbedingt nötig, aber ein zusätzlich­es Sicherheit­smerkmal“, sagt Sprecher Jürgen Fergg. Man habe vorbeugend tätig werden wollen, bevor ein schlimmer Unfall passiert. Beim Verkehrskl­ub ACE will man das Smartphone auch gar nicht verteufeln. „Wir wollen nicht, dass das Handy auf der Straße nicht mehr benutzt werden darf, aber wir wollen darauf hinweisen, dass man auf- passen sollte“, sagt Spd-landtagsab­geordneter Harald Güller, der die Schirmherr­schaft für die Zählaktion übernommen hat.

Anders als bei Radfahrern (25 Euro Bußgeld) und bei Autofahrer­n (60 Euro Bußgeld und ein Punkt) zieht die Handynutzu­ng für Fußgänger kein Bußgeld nach sich. Allerdings kann bei einem Unfall die Mitschuld und Haftung eines Fußgängers steigen, wenn er durch ein Handy abgelenkt war. In Paragraf 1 der Straßenver­kehrsordnu­ng heißt es: „Die Teilnahme am Straßenver­kehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseiti­ge Rücksicht.“

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Foto: Annette Zoepf Wer sich im Straßenver­kehr mehr auf sein Handy als auf sein Umfeld konzentrie­rt, riskiert Unfälle. Dies gilt nicht nur für Auto und Radfahrer, sondern auch für Fußgänger. In der Augsburger Innenstadt gab es nun eine Zählung. Sie ergab interessan­te...

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